Fotografin Susanne Prothmann: Lieber das Sehen schulen als viel in Technik investieren!

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Heike Drexel: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge des Podcasts “Unternehmen im Gespräch” mit Unternehmern und Unternehmerinnen aus dem Rheinland. Mein heutiger Gast ist Susanne Prothmann. Hallo Susanne. Susanne Prothmann: Hallo Heike.

Zur Person und ihrem Werdegang

Heike Drexel: Hallo. Du bist ausgebildete Fotografin und hast dein Atelier in Bergisch Gladbach. Wir wollen nämlich heute über das Thema Fotografie sprechen, wie sich die Ausbildung zum Fotografen gestaltet, worauf du für ein gutes Foto achten musst, welche Technik es braucht und wie du ein erfolgreiches Fotobusiness aufbauen kannst. Ich denke, es wird sicher was Interessantes sowohl für die Hobbyfotografen unter uns als auch für die Profis dabei sein. Susanne, kannst du uns einfach mal ein bisschen erzählen, wer du bist und wie du so zur Fotografie gekommen bist und was du heute so machst?

Susanne Prothmann: Ja, klar, gerne. Ich freue mich, hier zu sein, und über dein Interesse an meiner Arbeit. Ja, ich bin Fotografin. Ich habe das richtig klassisch mit einer dreijährigen Ausbildung gelernt nach dem Abitur und habe dann nach der Ausbildung erst so ein bisschen bei verschiedenen Fotografen Assistenzzeiten gemacht, habe hier und da mal reingeschnuppert. Ich war auch mal dann für ein paar Monate in Paris, habe da so ein bisschen geguckt, wie man das ja als junger Mensch so macht, so ein bisschen hier und da, und bin dann wiedergekommen.

Ich habe es dann erst mal mit einer Festanstellung probiert in einem Unternehmen, das hauptsächlich Produktfotos gemacht hat, und habe dann ganz schnell festgestellt, da fühle ich mich viel zu eingeengt, das passt irgendwie gar nicht. Und irgendwie ist da auch niemand auf meine Ideen und Vorstellungen eingegangen. Ich habe das dann ganz schnell wieder gelassen, weil mich das doch recht unglücklich gemacht hat, und bin dann recht schnell in die Freiberuflichkeit gepurzelt. Ich hatte das Glück, dass diese Firma, mit der ich nicht so ganz glücklich war, mit mir offensichtlich aber doch ganz glücklich war. Weil sie haben mir dann die Sachen, die ich dort fotografiert habe, ins Studio gebracht und haben es mich frei fotografieren lassen.

So hatte ich direkt meinen ersten Kunden und habe dann eben so ein kleines Business aufgebaut. Ich war da recht breit aufgestellt, habe viel Produkt gemacht, habe Werbung gemacht, habe aber auch Menschen gemacht, also alles, was so kam. Ich habe das sehr glücklich und zufrieden ein paar Jahre geführt, ein kleines Studio. In Köln-Dellbrück war das damals.

Und dann irgendwann habe ich angefangen mit der Familienplanung. Ich war dann ganz sicher, dass ich das trotzdem alles so weitermachen könnte. Also mit dickem Bauch bin ich auch noch im Studio rumgelaufen und habe meine Jobs gemacht. Das war gar kein Problem und ich dachte, wenn das Kind dann auf der Welt ist, ob es jetzt zu Hause auf dem Boden rumkrabbelt oder im Studio, während ich nebenbei noch so ein paar Bilder mache, das ist ja alles ganz easy.

Heike Drexel: Das suggeriert einem ja auch die Werbung immer so schön. Ja.

Susanne Prothmann: Genau. Weit, weit gefehlt. Also als mein Sohn auf der Welt war, ja, war er da und war er das Wichtigste und hat die Fotografie dann doch mal für ein paar Jahre ganz nach hinten gedrängt. Dann habe ich das Studio eben auch aufgegeben und habe mich erst mal der Familie gewidmet. Das ging ein paar Jahre ganz gut und war schön und dann kam auch noch meine Tochter zur Welt. Und als die dann zwei Jahre war, kam bei mir so das Gefühl, so, jetzt reicht es mir nicht mehr, nur noch zu Hause zu sein, ich würde gerne wieder arbeiten, ich würde gerne wieder was machen, und wollte wieder einsteigen.

Und ich saß dann eines Abends ganz frustriert auf der Couch und dachte: „Ah, nach meinen ganzen Kinder- und Krabbelgruppen- und Spielplatz- und Frei-zu-Hause-mit-den-Kindern-sein-Erlebnissen jetzt die Vorstellung, bei einer Werbeagentur anzuklopfen, auf der schwarzen Couch zu sitzen und nach Jobs zu fragen und Mappen zu zeigen und, und, und?“ Das war überhaupt nicht mehr meine Welt, konnte ich mir nicht mehr vorstellen. Fotografie wollte ich machen, ja, aber das war es irgendwie nicht mehr. Das ist mir dann klar geworden.

Und den entscheidenden Satz hat dann eine Freundin zu mir gesagt. Als sie merkte, dass ich da so ein bisschen unglücklich und am Zweifeln war, hat sie gesagt: “Warum willst du denn in die Werbung gehen? Mach doch einfach das, was du ohnehin schon die ganze Zeit hier mit uns machst. Fotografier Kinder.” Und tatsächlich war es ja so, ich habe ständig meine Kinder fotografiert, ich habe ständig die Kinder meiner Freunde fotografiert. Ich habe auf sämtlichen Events in den Krabbel-, Spiel- und Turngruppen fotografiert. Und ja, ich habe das dann eben auch angeboten und das ist auch sehr schnell auf ganz viel Resonanz gestoßen.

Heike Drexel: Das kann ich mir gut vorstellen.

Susanne Prothmann: Und es war dann recht einfach, da wieder ein neues kleines Business aufzubauen. Ich habe das dann bei mir zu Hause machen können. Das heißt, ich habe ein paar Räume umgestaltet, dass ich dort die Kunden empfangen konnte, dass die es auch recht gemütlich hatten, dass es sich nicht so fremd anfühlte. Und ich habe dann eben angefangen erst mit Kindern. Das hat sich ausgeweitet auf Familien. Und dann kam mir die Idee, dass ja Schwangere eigentlich auch wunderwunderschön sind und diese Bäuche und ja.

Heike Drexel: Ich sage ja nur Demi Moore als Stichwort.

Susanne Prothmann: Ganz genau. Das war nämlich genau der Zeitpunkt, als Demi Moore da auch aufs Cover kam. Und heutzutage ist das, glaube ich – ich weiß nicht, ob das alle so wissen, vor 20 Jahren war es wirklich noch …

Heike Drexel: Damals, das war eine Revolution, als man diese Fotos sah mit dem Bauch. Ja, das hat man nicht gemacht.

Susanne Prothmann: Das hat man nicht gemacht. Ich erinnere mich an meine Schwangerschaften. Man zog möglichst ein Zelt an, damit man eben die Körperkonturen nicht sehen konnte und dass man nicht figurbetont rumlief. Und das war gerade so die Zeit, als sich das dann eben Anfang der 2000er-Jahre einfach wendete. Man zeigte sich, man war stolz, den Bauch zu haben, den Bauch zu zeigen, sich figurbetont zu geben. Und man fing es eben auch an, dass man sich fotografieren ließ.

Und genau in dem Moment bin ich da auch eingestiegen, habe das Portfolio eben daraufhin ergänzt, dass ich auch Schwangerenfotografie angeboten habe. Und das hat mich dann wirklich viele Jahre auch sehr glücklich gemacht. Also das war ein ganz schönes Thema. Weil wenn schwangere Frauen oder schwangere Paare zu dir kommen, die sind immer – also zumindest die, die zu mir kamen und das eben auch so ausgelebt haben – in einer sehr glücklichen Lebensphase und es hat halt unheimlich viel Freude gemacht, das dann begleiten zu dürfen und fotografieren zu dürfen. Das hat dann auch wunderbar mit meiner kleinen Familie geklappt, weil es zu Hause war.

Heike Drexel: Es war dann sehr authentisch sozusagen.

Susanne Prothmann: Genau. Ich war ja auch voll im Film. Also ich wusste ja, wovon meine Kunden redeten. Ich hatte es ja gerade auch erlebt beziehungsweise steckte noch mittendrin. Und das hat wunderbar rund sich alles angefühlt.

Von der Schwangeren- zur Businessfotografie

Susanne Prothmann: Ja, dann verging die Zeit und meine eigenen Kinder kamen so langsam in die Pubertät. Und da merkte ich so bei mir, irgendwie ist jetzt so ein bisschen die Luft raus. Ich fühlte mich so ein bisschen rausgewachsen aus der ganzen Materie. Und ich habe mir das eine Weile angeguckt und merkte dann, dass ich eben nicht mehr so 150-prozentig dahinterstand wie noch vor ein paar Jahren, hinter dem, was ich machte. Und ich habe beschlossen, dann muss jetzt noch mal ein Break kommen, dann muss sich das jetzt noch mal alles verändern. Es war mir klar, dass ich weiterhin Fotografie machen wollte. Ich wollte also wirklich gerne weiter Bilder machen, aber das Thema musste sich ändern. Und ich habe da auch wieder in mich reingehorcht, was mich interessiert, was ich anders machen wollte. Und dann kam sehr schnell für mich raus, ich wollte raus. Ich hatte jetzt sehr viel von zu Hause gearbeitet und ich musste jetzt so meinen Horizont noch mal ein bisschen erweitern.

Ja, durch die Tätigkeit mit den Familien hatte ich schon den einen oder anderen Kontakt eben auch zur Businesswelt. Es kam dann schon mal die eine oder andere Frage von zufriedenen Kunden, die gesagt haben: “Mensch, das haben Sie jetzt hier so nett und so schön und so einfach mit uns gemacht. Wollen Sie nicht auch mal bei mir in den Betrieb kommen? Ich habe da Mitarbeiter, die sind auch schwierig zu fotografieren und ich glaube, Sie könnten das ganz gut.” Also hatte ich da schon so ein bisschen den Einstieg in die Businessfotografie durch meine vorherige Tätigkeit geschaffen und habe das eine dann wirklich auch rigoros aufgegeben. Also es war dann schon ein bewusster Schnitt, dass ich wirklich allen meinen Kunden gesagt habe, ich mache das jetzt nicht mehr. Das ist nicht wirklich auf viel Verständnis gestoßen.

Heike Drexel: Das kann ich mir vorstellen, ja.

Susanne Prothmann: Weil es lief ja gut und …

Heike Drexel: Ganz schön mutig.

Susanne Prothmann: Ja, aber ich merkte einfach, ich mache das nicht mehr mit Herzblut. Und ich glaube, wenn du Fotografie nicht mit Herzblut machst, wird sie auch irgendwann nicht mehr gut, und das wollte ich einfach nicht. Und da habe ich mich dann entschieden, wirklich den Cut zu machen, habe das nicht beides nebeneinander laufen lassen, sondern habe mich bewusst für die andere Sache entschieden. Ich habe dann die Businessfotografie aufgebaut und bin damit jetzt eigentlich sehr glücklich seit ein paar Jahren.

Es ist sehr, sehr verschieden, also die Jobs sind sehr unterschiedlich. Du kommst heute zu einem Einzelunternehmen, der sich gerade selbstständig gemacht hat, noch vielleicht von zu Hause arbeitet, und wir richten das Büro irgendwie so her, dass man den da gut fotografieren kann. Am nächsten Tag kommst du in eine große Bank, wo du Fotos von Mitarbeitern machst. Am dritten Tag bist du plötzlich in die Knie-OP vom Krankenhaus gepurzelt und musst den Chefarzt aufnehmen, während er da handwerkelt. Also das ist sehr spannend. Das ist immer wieder herausfordernd, weil es immer wieder neue Situationen gibt, auf die man sich einstellen muss. Ich arbeite jetzt kaum noch in meinem Atelier, sondern gehe wirklich raus. Ich finde dann auch immer andere Lichtsituationen vor, muss mich immer wieder neu einstellen, aber das ist sehr herausfordernd und sehr schön.

Fotokurse und FOTOreisen

Heike Drexel: Sehr spannend. Und du hast ja noch mal eine Weiterentwicklung, wenn ich das richtig deiner Webseite entnommen habe. Weil da sind so wunderschöne Bilder von so einem Kunterbunthof in Mecklenburg-Vorpommern. Was hat es denn damit auf sich?

Susanne Prothmann: Ja. Also ich habe schon lange damit geliebäugelt, Fotokurse zu geben. Das habe ich dann auch angefangen und habe sehr schnell gemerkt, wenn ich so einen Fotokurs gebe, der so einen Tag lang läuft, dann ist das schon sehr fein und man kann so ein bisschen was mitteilen. Aber wenn die Leute nicht direkt dranbleiben an ihrer Kamera und an ihrer Fotografie, sie dann wieder eine Woche weglegen oder schlimmstenfalls sogar länger, dann bleibt auch recht wenig hängen von dem Tag, was dann den Schluss nahelegte, dass man vielleicht besser Fotoreisen anbieten sollte, wo man wirklich mal fünf, sechs, sieben Tage am Stück Zeit hat, sich mit seiner Kamera, mit seiner Fotografie, mit seinem Sehen zu beschäftigen, und dann wirklich nach Hause fährt und sagt: “So. Jetzt lege ich sie nicht mehr aus der Hand. Jetzt muss ich mich auch nicht jedes Mal wieder neu einfinden in die ganze Kameratechnik. Jetzt habe ich es einfach drauf.” 
Und dafür habe ich lange nach einem passenden Ort gesucht. Weil das sollte individuell sein, sollte nicht von der Stange sein, das sollte rundum sein, das sollte schön sein. Und da bin ich 2019 zuerst auf ein ganz tolles Haus gestoßen in Irland, wo ich selber ein Yogaseminar gemacht habe und dann wusste, ja, jetzt bist du da angekommen, wo auch ein Fotografiekurs gut passt, und die Besitzer von der Farm dort auch direkt darauf eingestiegen sind und mir das auch angeboten haben, dass ich mit einer Fotogruppe eben nach Irland komme. Das war 2019. Dann habe ich das alles geplant, habe das publik gemacht und hatte den Kurs, den ich auch recht klein halten möchte, mit wenigen Teilnehmern, um wirklich auch für jeden da sein zu können, mit sechs Personen im Nu voll gehabt für 2020 im April.

Heike Drexel: Ich ahne, was kommt.

Susanne Prothmann: Seit 2020 wurde es dann immer wieder verschoben, was mich dann irgendwann auf die Idee gebracht hat: Muss es denn wirklich so weit sein? Muss man wirklich dafür in den Flieger steigen? Gibt es nicht auch hier in Deutschland was, das man eben mit dem Auto flexibler erreichen kann?

 

Heike Drexel: Oder mit der Bahn, 9-Euro-Ticket.

Susanne Prothmann: Genau. Also wo man einfach ein bisschen flexibler ist in der Reise. Wenn sie dann aus irgendwelchen Pandemiegründen wieder doch nicht stattfinden kann, wo man weniger Probleme hat, auch wieder rauszukommen.

Heike Drexel: Ja, deswegen ist ja Deutschland zum Reiseland Nummer eins der Deutschen geworden.

Susanne Prothmann: Ganz genau. Und ich hatte von dem Kunterbunthof schon mal gehört, auch im Jahr davor, dass es dort halt Festivals gibt, dass da sich sehr viel künstlerisch interessierte Menschen auch treffen und dass das sehr individuell zugeht, dass auch Musiker dort sind, dass eben viel Wert auf Lagerfeuerromantik gelegt wird und solche Sachen. Die Unterkünfte sind sehr verschieden und sehr individuell. Und ich dachte mir, ja, das könnte gut passen.

Heike Drexel: Das liest sich auch total spannend. Ich hatte mir das ja eben angeschaut mit den unterschiedlichen Unterkünften. Und du hast ja auch auf der Webseite stehen: “Fotografieren & glücklich sein”. Und bei diesen Bildern kommt einem wirklich das auch sofort in den Sinn. Das ist unglaublich.

Susanne Prothmann: Und darum geht es mir einfach, dass man eben keinen Stress hat. Man hat Urlaub, man beschäftigt sich mit seinem Hobby. Und dass man mit viel Zeit, mit viel Muße sich mit der Kamera, mit dem Sehen, mit der Landschaft beschäftigen kann. Dass es keinen Druck gibt, dass es keine Konkurrenz gibt unter den Teilnehmern. Das ist superspannend, wenn du mit einer Gruppe losziehst. Und die können auf einem ganz verschiedenen Niveau sein. Das kann der Anfänger und schon richtig supertoller, fortgeschrittener Hobbyfotograf sein.

Aber du gehst in eine Landschaft und machst einen Spaziergang von zwei Stunden, kommst wieder, setzt dich abends hin und machst Bildbesprechung, guckst dir die Bilder an. Und du warst am gleichen Ort und jeder hat was ganz anderes gesehen und was ganz anderes festgehalten. Und das finde ich superschön und superspannend. Und da kann auch der eine vom anderen eben sehr gut profitieren. Und man hat einfach mal die Zeit, sich damit zu beschäftigen, ohne dass vielleicht der Partner oder die Freundin oder die Wandergruppe genervt mit den Augen rollt, weil derjenige mit der Kamera schon wieder stehen bleibt und ein Foto macht.

Heike Drexel: Das kommt mir sehr bekannt vor. Mein Mann wird jetzt auch sagen: “Ja, das kenne ich.”

Susanne Prothmann: Ja, und das kennt, glaube ich, jeder, der irgendeine Kamera hat. Und das ist ja auch verständlich.

Heike Drexel: Ja, das kommt mir sehr bekannt vor.

Susanne Prothmann: Also das ist auf beiden Seiten verständlich. Und ich weiß es auch von mir selber. Mein Mann ist nun wirklich schon sehr, sehr tolerant, was das betrifft. Aber wenn ich jetzt zum fünften Mal stehen geblieben bin, dann überlege ich mir beim sechsten Mal: “Das kannst du jetzt nicht bringen, jetzt gehst du weiter.” Und dafür möchte ich eine Plattform bieten, dass es eben mal eine Reise ist, wo es egal ist, wo man so oft stehen bleiben kann und machen kann, wie man möchte, wo man eben keinen Druck dahinter hat, jetzt muss man weitergehen, sondern sich wirklich auf sein Hobby die ganze Zeit mal konzentrieren kann in einer schönen Landschaft mit Gleichgesinnten. Das ist der Plan mit den Fotoreisen. Darüber freue ich mich sehr, dass das jetzt in diesem Jahr nach zweieinhalb Jahren Planen und immer wieder Absagen tatsächlich jetzt stattfinden kann.

Heike Drexel: Ja, das glaube ich. Und da veränderst du dich jetzt auch wieder, also bietest ja dann nicht nur Fotografie an, sondern du wirst jetzt auch noch eine Eventmanagerin sozusagen, gehst da noch in den Tourismus.

über die Motivation, Fotografin zu werden:

Heike Drexel: Aber noch mal zurück, mich würde schon sehr interessieren: Wieso bist du Fotografin geworden? Was ist so die Motivation für diese Leidenschaft, die du auch ausstrahlst? Und noch eine ein bisschen provokante Frage dazu: Bist du vielleicht Fotografin geworden, weil du selber nicht abgelichtet werden möchtest, sondern eben lieber hinter der Kamera stehst?

Susanne Prothmann: Ein ganz klares Nein. Also das ist definitiv nicht der Grund gewesen, warum ich Fotografin geworden bin. Aber ich gebe dir recht, ich bin vor der Kamera tatsächlich ein schwerer Kandidat, weil ich natürlich auch meine, ich weiß alles besser, wenn ich davorstehe. Nein, also das war für mich wirklich gar keine Motivation damals. 
Ja, es war so: Ich war in der Schule, ich habe Realschule gemacht, habe den Abschluss nach der 10. gemacht und wusste überhaupt nicht, was ich machen will beruflich. Also Freundinnen, die gingen alle irgendwie ins Büro oder Höhere Handelsschule oder solche Sachen. Ich hatte überhaupt keinen Plan. Und dann habe ich gedacht, okay, dann schiebst du jetzt mal das Abitur noch hinterher, bleibst einfach noch ein bisschen was auf der Schule und dann wird sich schon irgendwas ergeben. Die drei Jahre haben mir dann gezeigt, dass ich danach definitiv nicht mehr die Schulbank drücken wollte. Also da habe ich dann gedacht, jetzt reicht es mal mit der Theorie. Das wollte ich nicht. 
Und dann musste ich aber wieder überlegen: Was will ich denn überhaupt machen? Und dann habe ich mir überlegt: Was mache ich grundsätzlich gern? Ja, ich fotografiere gern. Also ich habe in der Schule die Foto-AGs immer mitgenommen. Das hat mir viel Spaß gemacht. Mein Vater hatte schon sehr früh eine Spiegelreflexkamera, die ich als Kind schon immer mitbenutzen und ausprobieren durfte. Ich habe sehr gerne Fotos gemacht und dachte mir: Ja, warum denn nicht das Hobby zum Beruf machen?

Weil mir war klar, so ein klassischer Nine-to-five-Job wäre nichts für mich gewesen, und ich wollte nichts, wo ich neun Stunden am Tag auf dem Hintern sitze. Also ich hatte das Gefühl, ich muss raus, ich muss mich bewegen, ich brauche verschiedene Anreize. Und ich wollte gerne was Kreatives machen, so das Gefühl haben am Ende des Tages, ich habe irgendwas gemacht, was so ein Ergebnis irgendwie mir zeigt. Und dann habe ich gedacht, gut, dann probierst du es mal mit Fotografie. Ich war ein bisschen skeptisch, weil zu der Zeit – es war Ende der 80er – da hatten Fotografen natürlich auch so einen gewissen Ruf oder so ein gewisses – nein, keinen Ruf, aber warst du Fotograf, warst du meistens männlich, langhaarig und schwarz gekleidet.

Heike Drexel: Ah, okay.

Susanne Prothmann: Ja, also das war so diese Werbebranche, diese coolen Typen und so. Und da passte ich in dieses Bild rein gar nicht rein.

Heike Drexel: Groß bist du.

Susanne Prothmann: Das stimmt.

Heike Drexel: Na, wenigstens eine Ähnlichkeit.

Susanne Prothmann: Ja, aber so dieses Coole, Lässige, so ein bisschen Show-Maker war ich – ich meine, ich war ja auch jung – überhaupt nicht. Aber ich dachte mir, man kann es ja mal versuchen. Es gibt ja auch Ausbildungsstellen in allen möglichen, verschiedenen Richtungen. Damals war es ja noch so, da ging man – das nannte sich ja damals noch Berufsberatung bei der heute Agentur für Arbeit, beim Arbeitsamt.

Heike Drexel: Arbeitsamt hieß es damals, ja. Wobei, die Berufsberatung gibt es auch heute noch.

Susanne Prothmann: Ja, aber die heißt jetzt irgendwie anders. Also wir gingen da so hin und dann habe ich der Frau das auch gesagt, dass ich mich gerne bewerben möchte als Fotografin, und hatte mir auch schon Stellen rausgesucht, wo ich mich bewerben würde. Ich habe ihr auch meine Motivation erzählt. Dann hat sie gesagt: “Das ist ja toll, dass Sie schon genau wissen, was Sie wollen. Aber es wäre ja dann immer noch ganz gut bei so einem außergewöhnlichen Beruf, wenn man vielleicht noch ein zweites Standbein hätte. Falls das jetzt nicht klappen sollte, bewerben Sie sich doch lieber auch mal noch als Bürokauffrau” und so. Und ich dachte mir: “Hat sie mir jetzt nicht zugehört?” Gut, ich habe mich dann nicht einmal als Bürokauffrau beworben. Ich habe zum Glück eine sehr schöne Ausbildungsstelle auch bekommen und so nahm dann meine berufliche Zukunft seinen Lauf.

Technik – von analog zu digital

Heike Drexel: Und es war ja damals alles noch analog.

Susanne Prothmann: Genau.

Heike Drexel: Du hast ja jetzt den Wandel mitgemacht von analoger Fotografie zur digitalen Fotografie.

Susanne Prothmann: Genau. Also was ich damals gelernt habe, steht ja heute in keinem Ausbildungsplan für Fotografen mehr drin. Wir haben viel in der Dunkelkammer auch gestanden, wir haben Filme belichtet, wir haben Filme entwickelt, wir haben Vergrößerungen gemacht, in Schwarz-Weiß, in Farbe.

Heike Drexel: Das ist ja schon museal.

Susanne Prothmann: Ja. Also es war wirklich komplett anders. Und das ging dann auch die ganze Zeit so weiter, bis ich meine Familienpause gemacht habe und danach wieder eingestiegen bin. Da war es plötzlich digital. Also da war es gerade so im Wandel und ich habe dann erst noch eine ganze Weile gedacht: “Nein, den Quatsch mache ich nicht mit.” Weil für mich war immer digital gleichgesetzt mit Fake. Also da kannst du ja alles verändern, da weißt du ja nicht mehr, ob es real ist oder nicht. Wohingegen, wenn ich so einen ehrlichen Film oder ein ehrliches Dia belichtet habe, dann war ja auch das da drauf, was ich fotografiert habe. Aber letztendlich konnte man sich dem ja nicht entziehen. Und ich habe für mich dann auch irgendwann die Entscheidung getroffen, ich mache jetzt auch digital, aber ich mache keinen Fake.

Heike Drexel: Zu dem Thema kommen wir nachher, glaube ich noch, oder? Da wollte ich auch noch mal ein bisschen nachfragen, ja?

Susanne Prothmann: Gerne, ein wichtiges Thema in der Digitalfotografie.

Heike Drexel: Absolut. Ja, genau.

Susanne Prothmann: Ja, und dann war ich halt in der Digitalfotografie angekommen und musste dann im Prinzip alles auch noch mal neu lernen, die Kameratechnik und ich ging dann eben nicht mehr in die Dunkelkammer. Ich ging dann ins Büro und habe mich vor den Monitor gesetzt, die ganzen Bildbearbeitungsprogramme gelernt und das Ganze dann eben umgestellt.

Heike Drexel: Arbeitest du mit Lightroom jetzt oder Photoshop oder so?

Susanne Prothmann: In erster Linie mit Lightroom und Photoshop. Das sind die beiden Programme, mit denen eigentlich alles geht, was ich brauche.

Heike Drexel: Ja, muss man denn viel so in Technik investieren dann heute mit der Digitaltechnik, wenn man jetzt als Fotograf arbeiten würde? Oder ist das eigentlich gar nicht so wichtig, kommt es doch mehr auf das gute Auge an und so auf die Kommunikation mit den Kunden und all die anderen Themen?

Susanne Prothmann: Also natürlich ist es schön, wenn du jede Menge Technik hast, und es gibt da auch feine Sachen und immer wieder ist man da auch versucht, da noch mal aufzustocken. Gar keine Frage. Aber dir nützt es nichts, wenn du einen megatollen Technikpark hast, aber einfach das Sehen nicht geschult hast. Da nützt dir auch die teuerste Kamera nichts mehr.

Also ich habe wirklich auch mit ganz, ganz kleinen Mitteln angefangen und habe es mehr und mehr aufgebaut. Also ich würde da gar nicht direkt so viel in die Technik investieren, sondern erst mal wirklich darein, mein Sehen zu schulen, zu wissen, was ich überhaupt machen möchte. Früher, als ich angefangen habe in meiner Ausbildung, da war noch so der Tenor, dass man sagt, man müsste möglichst breit aufgestellt sein als Fotograf. Also am besten kannst du von allem etwas und bietest eben alles irgendwie an. Das hat sich mit der Zeit gewandelt. Jetzt sucht man sich lieber seine Nischen, bietet was an, was andere eben nicht anbieten.

Heike Drexel: Das ist ja dasselbe mit den Podcasts. Darüber haben wir ja auch gesprochen. Da wird es ähnlich angeraten, dass man sich Nischen sucht. Ja.

Susanne Prothmann: Genau. Ich finde das auch prima, weil man dann wirklich was hat, worauf man sich fokussiert, womit man sich richtig gut auskennt. Und ich finde es eben bei der Fotografie jetzt ganz toll, dass ich das, meine Nische auch immer so ein bisschen auf meine Lebenssituation anpassen kann.

Bildgestaltung – das Sehen schulen

 

Heike Drexel: Also wir hatten über das Thema mit dem Schulen gesprochen. Das finde ich sehr spannend, was du da sagst, dieses Sehen schulen. Darauf würde ich gerne auch noch mal eingehen. Gibt es denn so ein paar Regeln für das richtige Sehen? Also ich habe da so dieses Thema mit dem Goldenen Schnitt im Kopf so aus der Kunst. Oder dann gibt es noch so Schlagworte mit Blauer Stunde, Goldener Stunde, was weiß ich. Also ich bin da jetzt nicht so tief drin, aber das würde mich auch noch mal so ein bisschen interessieren: Wie kann man das schulen?

Susanne Prothmann: Also es ist natürlich von Vorteil, wenn man sich mit Bildgestaltung beschäftigt. Ich weiß noch, früher habe ich Bilder gemacht und dann wurde ich gefragt: “Boah, das ist aber toll! Warum hast du das denn so und so gemacht?” Und ich habe mir mein Bild angeguckt und habe gedacht: “Keine Ahnung. Ich habe es einfach gemacht.” Ich bin tatsächlich ein Verfechter, das aus dem Bauch zu fotografieren. Aber ich bin auch sicher, dass ich das nicht so gut könnte, wenn ich nicht gewisse Regeln über die Bildgestaltung einfach auch verinnerlicht hätte. Deswegen, so ganz ins Blaue immer nur zu schießen, ist sicherlich auch verkehrt. 
Man kann es sich anlesen, man kann es ausprobieren, man kann viel auch erreichen durch viele Bilder anschauen. Also wenn ich viele Bilder oder Ausstellungen oder Fotobücher mir anschaue oder durch Instagram scrolle oder was auch immer man heute macht, dann sehe ich ja, was mir gefällt, und das bleibt auch in meinem Gehirn haften, was mir gefällt. Und instinktiv mache ich ja ähnliche Sachen. Und dann ist es eben auch ganz viel üben. 
Das heißt, ich möchte gute Bilder machen, ich gehe raus, ich nehme meine Kamera, ich suche mein Motiv. Ich finde das Motiv toll, ich fotografier das. Ich gehe nach Hause, gucke mir das an und denke: “Mh, das sieht überhaupt nicht so aus, wie ich das gedacht habe, und ist überhaupt nicht spannend. Und was habe ich denn nur falsch gemacht?” Dann gehe ich noch mal hin, versuche ich verschiedene Dinge. Ich versuche, mal die Perspektive zu ändern. Ich versuche, das Format zu ändern. Ich versuche, die Brennweite zu ändern. Ich gucke mal: Wie sieht das denn überhaupt morgens aus, wie sieht es mittags aus und wie sieht es abends aus? Und dadurch, wenn ich einfach auch nur beim gleichen Motiv bleibe, schule ich ja unglaublich mein Sehen: Was hat sich verändert in der Zeit durch meine Bewegung von oben nach unten?

Wichtig ist einfach, sich die Bilder dann aber auch nachher anzuschauen und zu gucken: Was gefällt mir denn jetzt wirklich besser? Und so komme ich dann irgendwann dahin, dass ich so meinen Stil habe, dass ich weiß, ich mag halt einfach die Bilder, die, ich sage jetzt mal zum Beispiel, ich immer aus der Hocke gemacht habe. Weil die sind viel spannender als die Landschaftsfotos, die ich aus der Augenhöhe mache. So entwickelt sich das eben. Aber man muss ganz viel schauen, man muss ganz viel ausprobieren. Mein Leitspruch ist eigentlich immer, instinktiv und aus dem Bauch zu fotografieren, aber wirklich rational nachher zu betrachten und sich daran dann weiterzuentwickeln.

 

Heike Drexel: Und gibt es wirklich diese Regel mit diesem Goldenen Schnitt? Also wie ist die noch mal genau?

Susanne Prothmann: Also der Goldene Schnitt, das ist ja im Prinzip so eine Formel. Letztendlich lässt sich das auch so ein bisschen runterbrechen auf die Drittel-Regel. Also zum Beispiel, wenn du ein Landschaftsfoto im Querformat fotografierst, dass du den Horizont nicht in die Mitte setzt, sondern ins obere oder ins untere Drittel. Dann wirkt das Bild schon mal viel spannender. Und wenn du es dann noch spannender machen willst, achtest du noch darauf, dass du vielleicht einen schönen Vordergrund hast oder das Bild mit zwei Bäumen rechts und links einrahmst oder dass du unten noch die Muschel drauf hast von dem Meeresbild, dass du es dann einfach noch ein bisschen gestaltest. Aber dass du eben so ein bisschen die Drittel-Regel, was jetzt die vereinfachte Form des Goldenen Schnittes ist, im Kopf hast. Auch, wenn du jetzt zum Beispiel ein Porträt machst und du machst das Porträt im Querformat, dann ist es meist spannender, du setzt den Kopf in ein Drittel des Formates als in die Mitte. Das musst du mal ausprobieren.

Heike Drexel: Das muss ich mal ausprobieren. Wobei, ich gebe ja zu, ich bin auch so einer dieser Handyfotografen und beim Handy fotografiert man ja sehr viel im Hochformat. Da merke ich immer den Unterschied, wenn ich es mal mit jemandem zu tun habe, der professionell fotografiert, weil die professionellen Fotografen nehmen das Querformat.

Susanne Prothmann: Das ist auch immer ein bisschen abhängig vom Motiv. Aber mich gruselt es tatsächlich auch oft, wenn ich die Handyfotografen sehe, die ein Landschaftsbild, was einfach unglaublich viel Weite ausstrahlt, im Hochformat aufnehmen.

Heike Drexel: Ja, komisch, aber das liegt, glaube ich, daran, weil das einfach auf dem Handydisplay oft mehr Spannung hat im Hochformat. Also so geht es mir zumindest.

Susanne Prothmann: Ja, es liegt auch einfach daran, weil du dein Handy meistens im Hochformat in der Hand hältst.

Heike Drexel: Und mein Auge wahrscheinlich daran gewöhnt ist auch.

Susanne Prothmann: Genau. Auch, wenn du Nachrichten tippst, du hast es ja immer im Hochformat.

Heike Drexel: Stimmt.

Susanne Prothmann: Und die Leute sind gar nicht mehr daran gewöhnt, es ins Querformat zu drehen. Ich bin wirklich kein Freund von Handyfotografie, aus verschiedenen Gründen. Es hat auch sicherlich seine Berechtigung. Aber auch, wenn du das jetzt einfach mal mitnimmst und bei den nächsten Fotos, die du machst, bewusst mal denkst: “Oh, ich könnte es ja mal ins Querformat drehen”, einfach mal gucken, was dann passiert.

Heike Drexel: Und du hattest mir ja auch gesagt, du machst manchmal so gezielte Aktionen, dass du sagst, du gehst raus und suchst wirklich nur nach runden Sachen, die du fotografierst, oder nach eckigen.

Susanne Prothmann: Ja. Also ich habe tatsächlich mir so ein kleines Säckchen gemacht, wo ich Begriffe reingesteckt habe. Und wenn ich eine Tour mache oder auch mit Fotoschülern rausgehe, ziehen wir da einfach ein Wort raus und versuchen, das auf der Tour umzusetzen. Da denkst du erst mal: “Ogottogottogott. Da finde ich nichts.” Und es ist superspannend, dass du dann doch was findest, obwohl du es gar nicht vermutet hättest. Und es ist superspannend, was du plötzlich zusätzlich siehst, was dir sonst nie aufgefallen wäre. Und es schult eben auch das bewusste Sehen.

Das kann dann mal rund sein, wie du sagst, das kann eckig sein, das kann ein Schatten sein, das kann dunkel sein, das kann Drama sein. Da gibt es halt ganz, ganz viele Möglichkeiten. Oder auch einfach mal sich auf eine Farbe zu fixieren, dass man heute mal möglichst blaue Sachen, rote Sachen, grüne Sachen fotografiert. Und dann gehst du raus in den Wald und denkst: “Was soll ich denn hier Rotes finden?” Schwierig, ja, aber ich verspreche dir, du wirst was finden. Und du hast dich mit einer Sache beschäftigt, du bist aus deinem Alltag raus. Also für mich hat das tatsächlich schon fast was Meditatives.

Heike Drexel: Da hatte ich vorhin auch die Assoziation, als du das so sagtest. Das klingt so wie nach Meditation. Ja.

Fotografie weiterhin auch als Hobby

Susanne Prothmann: Genau. Und das ist eben, worüber ich mich auch freue, dass ich mir trotz meines Berufs Fotografin auch immer noch das Hobby erhalten habe. Also ich mache tatsächlich auch immer noch gerne privat Fotos.

Heike Drexel: Aber unterscheiden die sich dann wirklich noch?

Susanne Prothmann: Absolut, ja. Heike Drexel: Ja?

Susanne Prothmann: Ja. Heike Drexel: Hä?

Susanne Prothmann: Ja.

Heike Drexel: Wieso das denn?

Susanne Prothmann: Ja, wenn ich für einen Kunden fotografiere, habe ich ja einen bestimmten Auftrag und muss was Bestimmtes erfüllen. Wenn ich für mich fotografiere, bin ich ja völlig frei. Da muss ich ja nichts erfüllen.

Heike Drexel: Ja, aber, wenn du jetzt einem Kunden sagst, du fotografierst jetzt einen Menschen, dann ist doch, wenn du jetzt zum Beispiel deine Familie fotografierst im Privaten, die Technik, den Menschen zu fotografieren, die gleiche, oder?

Susanne Prothmann: Das stimmt, absolut. Aber ich muss gestehen, ich fotografiere sehr viel Menschen im Business und wenig Menschen im Privaten.

Heike Drexel: Ah, okay. Das heißt, du hast mehr den Schwerpunkt dann auf Landschaft, auf Natur?

Susanne Prothmann: Ja.

Retusche vs. authentische Fotografie- FAKE oder ECHT?

Heike Drexel: Dann hast du ja auch in der Natur wahrscheinlich nicht dieses Thema mit dem Retuschieren. Genau, darüber wollten wir uns ja noch mal unterhalten. Weil das ist natürlich eine Sache, die, glaube ich, viele Menschen heutzutage bewegt, wenn sie Bilder sehen, und dass man sich so die Frage stellt: Ist das echt?

Susanne Prothmann: Ja, also das ist ein ganz schwieriges Thema, aber auch da, denke ich, gibt es kein hundertprozentiges richtig oder falsch. Damit geht auch jeder in seinem Genre anders um. Ich denke, in der Modefotografie darf man da auch anders verfahren als jetzt in der authentischen Businessfotografie. Ich finde es ganz schlimm, wenn ich jetzt ein Businessfoto mache und das wird völlig überretuschiert und dann kommen die Kunden nachher zu meinem Kunden und sagen: “Der sah doch ganz anders aus oder ist ja um Jahre gealtert.” Das geht überhaupt nicht. 
Meine Prämisse ist da immer: Ich retuschiere alles das weg, was nicht immer da ist. Das heißt, wenn jetzt der Fototermin ist und der dicke Pickel auf der Stirn hat sich in der Nacht vorher breitgemacht und der Kunde denkt schon: “Ui, ui, ui, ich muss das Fotoshooting absagen, weil ich sehe ja furchtbar aus.” Dann habe ich überhaupt kein Problem damit, diesen Pickel wegzuretuschieren, weil der gehört da nicht hin und der ist auch nicht immer da und der geht auch von alleine wieder weg. Das ist natürlich ein bisschen schwierig, wenn dann kommt: “Ja, diese dicken Augenringe habe ich ja auch nicht immer.” Also da muss man dann schon wieder so ein bisschen vorsichtig drangehen, wobei Fotografie ja immer subjektiv ist.
Also ich kann ja schon ganz viel erreichen, indem ich ein schönes Licht setze. Also wenn ich jetzt, ich sage mal, einen etwas reiferen Menschen fotografiere, der eben keine 20 mehr ist, der eben auch nicht mehr diese Haut hat wie der 20-Jährige, dann will ich den nicht so fotografieren, als wenn er 20 wäre, aber ich muss ja diese Sachen nicht betonen. Das heißt, ich kann jetzt schon durch die Lichtsetzung, durch meine Kameratechnik und, und, und das eben stimmig machen. Oder aber stell dir vor, es stellt sich jemand ungeschminkt vor meine Kamera oder er geht vorher zum Maskenbildner und lässt sich ein Voll-Make-up machen. Da frage ich dich jetzt: Wo ist der Unterschied, ob das jetzt das Make-up ist oder ob das die Retusche ist? Also von daher würde ich jetzt Retusche nicht in jedem Fall verteufeln. Was ich finde, was man nicht machen sollte, zumindest nicht in der authentischen Fotografie, ist, dass man Körpermerkmale verändert. Es kommen ganz oft Menschen zu mir und die gucken sich dann ihre Bilder an und sagen: “Mein Gesicht ist ja gar nicht symmetrisch.”

Heike Drexel: Dieses Thema linke und rechte Gesichtshälfte, die sind nämlich unterschiedlich.

Susanne Prothmann: Die sind unterschiedlich. Und das nimmt man nicht wahr, weil das Gehirn, wenn wir uns gegenübersitzen, gleicht das aus. Und wenn du plötzlich ein Foto von dir siehst und du fängst an, das abzuscannen, wie sehe ich denn aus, dann fällt dir das auf.

Heike Drexel: Ja, oder man kann auch schon mal den Test machen und so mit einer Hand, die eine Gesichtshälfte abdecken und dann die andere. Und dann sieht man ja auch schon, dass das total unterschiedlich aussieht teilweise.

Susanne Prothmann: Und dass eben auch die Augen vielleicht nicht auf einer Höhe sind. Die Augen sind so gut wie nie gleich groß. Und da gibt es natürlich tolle Programme, die das mit einem Klick alles ausgleichen. Das macht den Menschen aber weniger markant und weniger individuell. Und deswegen halte ich davon eigentlich nichts.

Heike Drexel: Das ist ja das, was wir heute viel auf Social Media sehen, dass ja so viele Menschen da sehr ähnlich gestylt sind.

Susanne Prothmann: Genau, wir sehen es auf Social Media. Bevor jetzt Social Media so aktuell war, waren es viele Cover von Zeitschriften, wo zum einen keine Pore in der Haut mehr zu sehen war und zum anderen das Gesicht komplett symmetrisch ist. Und ich sage dir, kein Mensch hat sich an irgendeines dieser Cover erinnert, weil eines aussah wie das andere. Und das ist für mich einfach ein No-Go. Also ich möchte echte Menschen, ich möchte Typen fotografieren, ich möchte sie authentisch fotografieren und offen fotografieren. Und da ist es völlig wurscht, ob das Auge links ein bisschen kleiner ist und tiefer steht als das Auge rechts. Also der Ausdruck, das, was von innen kommt, das ist mir wichtig. Und ja, ich retuschiere ein bisschen, aber es hält sich wirklich sehr in Grenzen.

Heike Drexel: Ich hatte dich vorher ja gefragt: Was ist die häufigste Frage deiner Kunden? Und dann hattest du mir verraten, dass die Kunden fragen: “Retuschieren Sie auch?

Susanne Prothmann: Ja, genau. Wenn ich jetzt zum Beispiel ein Fotoshooting in einer Firma habe und es stehen 20 Mitarbeiterporträts an, die nacheinander zu mir kommen, fast jeder Zweite stellt sich hin und sagt als Erstes: “Retuschieren Sie das auch?” Ja, also es ist irgendwie angekommen. Es ist schon fast so, dass es erwartet wird. Und wie gesagt, wenn du ein richtig schönes Porträt ausleuchtest, ist es gar nicht nötig, viel zu retuschieren.

Heike Drexel: Ja, ich glaube auch, das Licht macht unglaublich viel aus. Das merkt man ja schon manchmal, wenn man das mit einem Handy selbst ausprobiert, ein Selfie macht und sich einfach mal im Raum einmal um sich herumdreht und da mal guckt, wie das Bild sich verändert vom Licht her. Das ist unglaublich.

Susanne Prothmann: Genau. Und deswegen, wenn man selber vielleicht dann vor dem Fotoshooting noch in dem dunklen Mitarbeitertoilettenbüdchen war und in den Spiegel geguckt hat und denkt: “Ogottogott”, und da knallt so eine Neonlampe von oben auf einen drauf und man hat die Schatten unter den Augen und, und, und, das ist ja überhaupt nicht damit zu vergleichen, wenn man sich dann ins Fotosetting stellt und es wird einfach ein schönes Licht aufs Gesicht gegeben. Dann erübrigt sich manche Retusche schon von alleine.

Umgang mit Kunden während des Fotoshootings

Heike Drexel: Wie schaffst du es denn eigentlich, gerade wenn du so bei dem Fotoshooting bist, so das Vertrauen da zu deinen Kunden zu generieren oder so eine Basis aufzubauen? Hast du da einen bestimmten Trick dazu? Oder duzt du zum Beispiel auch die Kunden oder siezt du die? Man möchte ja in so eine Kommunikationsebene kommen.

Susanne Prothmann: Genau, das ist auch ganz wichtig. Das ist mindestens genauso wichtig wie die richtige Ausleuchtung und die richtige Kameratechnik. Ich muss einen Bezug zu dem Kunden bekommen. Und es ist für niemanden einfach, sich vor die Kamera zu stellen und ganz natürlich und authentisch zu sein. Also ich habe es tatsächlich gerade bei dir gemerkt, als ich mich ans Mikrofon gesetzt habe. Ich fühlte mich auch plötzlich ganz unwohl und ganz komisch mit diesem Mikrofon vor der Nase. Und so, kann ich mir vorstellen, geht das eben meinen Kunden auch, wenn sie plötzlich die Kamera vor sich sehen. Deswegen versuche ich eigentlich immer, eine sehr lockere, eine sehr offene, eine sehr freundliche Wohlfühlatmosphäre herzustellen.

Ich spreche sehr viel mit den Leuten. Wenn ich so den ganzen Tag Mitarbeiter-Fotoshooting gemacht habe, kann es auch mal passieren, dass ich mit meinem Mann abends kein Wort mehr rede, weil ich mir einfach den Mund fusselig geredet habe. Aber das ist ganz wichtig, die Leute so ein bisschen aus der Reserve zu locken. Die müssen sich angenommen und wohl fühlen. Und ich mache sehr viel aus der Bewegung raus. Also es muss sich bei mir keiner starr vor die Kamera stellen und den Blick ein bisschen nach da, ein bisschen nach vorne, ein bisschen die Schulter, sodass man irgendwann …

Heike Drexel: Das kommt mir bekannt vor, genau. Früher musste man doch immer auf dem Stuhl dann so mit der linken Schulter nach vorne und Brust nach hinten und irgendwie den Kopf noch zur Seite.

Susanne Prothmann: Richtig, bis man irgendwie so richtig …

Heike Drexel: Oh, Knoten im Hals.

Susanne Prothmann: … verkrampft auch war und überhaupt nicht mehr so von innen her leuchten konnte. Und das versuche ich einfach zu vermeiden und das gelingt in den meisten Fällen ganz gut.

Heike Drexel: Super. Ja, das kann ich mir sehr gut vorstellen, dass du das gut machst dann.

Susanne Prothmann: Ja, wir lachen auch viel und machen Späße und das ist ja alles keine bierernste Angelegenheit. Also man muss sich wirklich locker machen können dann auch, damit es ein gutes Foto werden kann. Und wenn es gar nicht funktioniert, dann ist auch immer ein ganz guter Trick, den Leuten zu sagen, dass sie sich einfach mal ihr Kopfkino anmachen, dass sie sich wegbeamen, dass sie sich gar nicht vorstellen, dass sie jetzt hier im Fotoshooting stehen, sondern einfach mal auf ihre Insel oder an ihren Lieblingsmenschen denken. Und da merkt man sofort, wenn man die richtigen Register gezogen hat.

Heike Drexel: Richtig getriggert.

Susanne Prothmann: Genau. Das kann bei dem einen der Fußballverein sein, das kann das Haustier sein. Und plötzlich siehst du eine komplette Veränderung in den Augen, zack, die leuchten. Und dann weißt du, du bist auf der richtigen Linie. Dann haben sie so was, was ihnen guttut, was sie mögen, und das strahlen sie dann auch aus. Dann geht es weg von dem Einfach-nur-ins-Leere-Gucken.

Heike Drexel: Ist dir da auch schon mal was Gegenteiliges passiert, also sprich, dass jemand auch sich mal an was sehr Schlimmes erinnert hat und dann irgendwie mal da, weiß ich nicht, in Tränen ausgebrochen ist oder so?

Susanne Prothmann: Nein, gar nicht.

Heike Drexel: Gar nichts?

Susanne Prothmann: Nein, weil das ja eine ganz klare Ansage von mir ist.

Heike Drexel: An was Positives zu denken?

Susanne Prothmann: An einen Lieblingsmenschen zu denken.

Heike Drexel: Super. Okay, ja.

Susanne Prothmann: Oder an einen Lieblingsplatz zu denken oder so. Einige müssen ein bisschen überlegen, manche haben es sofort, dass es anknipst. Aber das funktioniert eigentlich ganz gut.

Super Tipps für angehende Fotografen:

Heike Drexel: Sehr schön. Hast du denn mal so auch wirklich was Krisenmäßiges erlebt? Weil ein spannendes Thema ist ja immer auch so, aus den Fehlern anderer zu lernen, wenn man das weitergeben kann. Also gibt es irgendwas, wo du mal sagen würdest jetzt im Nachhinein: “Oh, das würde ich heute anders machen und das würde ich gerne auch als Ratschlag an andere weitergeben, damit sie diesen Fehler vermeiden”?

Susanne Prothmann: Also ich musste gerade lachen, weil so kleinere Malheure, die passieren halt auch immer wieder. Und letztendlich ist so ein Fotoshooting auch immer ganz viel mit Improvisation behaftet. Also mir sind auch schon so dumme Dinge passiert, dass mir irgendwo draußen die Lampe einfach durch einen Windstoß umgefallen ist und kaputt war, weil ich sie nicht genug gesichert hatte. Dann stehst du da und hast dieses Hauptlicht nicht mehr da und musst improvisieren und was anderes eben machen. Aber irgendwie funktioniert es halt auch immer.

Oder aber du hast dir dein Shooting super geplant, hast alles dir vorgenommen und es ist doch ganz anders, weil dann plötzlich doch die Regenwolke kommt oder weil aus irgendeinem Grund du doch nicht in dem Haus in dieses Zimmer kannst und du musst ad hoc in ein anderes, was du dir gar nicht geplant und vorgenommen hast. Und trotzdem musst du ja liefern, trotzdem musst du machen. Und da ist immer ganz viel schnelles Umdenken, Improvisieren gefragt. Und das, finde ich, hat aber auch wirklich einen Reiz. Darauf muss man sich aber auch einlassen und einstellen und dann nicht eben sagen: “Oh, ja, tut mir leid, wir müssen jetzt abbrechen, Lampe kaputt”, sondern trotzdem was daraus machen. Also wirklich immer offen sein auch für die Situationen, die sich halt stellen. 
Ja, und was ich früher als junger Mensch, glaube ich, falsch gemacht habe: Ich habe immer mich so vereinzelt gesehen und ich habe immer die anderen Fotografen als Konkurrenten gesehen und habe immer gedacht, ja, es soll mir keiner was abgucken und so. Und das finde ich mittlerweile völlig falsch. Also ich finde es jetzt superspannend und interessant, mich mit Kollegen auszutauschen, voneinander zu lernen. Und wenn mal einer von mir was abguckt, ja, so what? Dann habe ich es ja auch gut gemacht. Also da finde ich, man sollte sich wirklich zusammentun, man sollte das miteinander machen. Man ist ja als Fotograf oft so ein Einzelkämpfer, arbeitet viel allein. Dann ist es ganz toll, wenn man sich trotzdem mal mit Kollegen zusammensetzt und austauscht. Und ich glaube nicht, dass da einer dem anderen was wegnimmt dadurch. Das ist so was, was ich über die Jahre gelernt habe und womit ich mich jetzt viel, viel wohler fühle als früher.

Heike Drexel: Ja, ich glaube, die Fotografenszene ist tatsächlich sehr, sehr von Selbstständigen geprägt. Da gibt es gar nicht so größere Unternehmen wie in manch anderen Branchen, sondern da sind, ich glaube, fast – ich habe mal eine Zahl gelesen – 250.000 selbstständige Fotografen in Deutschland. Kann das sein?

Susanne Prothmann: Das kann durchaus sein. Und es gibt kaum Stellen, wo du angestellt werden kannst. Es gibt ein paar große Werbestudios, die noch Stellen für Festanstellung anbieten. Oder es gibt die kleineren Porträtläden, aber auch die machen meistens nur so eine One-Man-Show. Also wenn du tatsächlich als Fotograf arbeiten möchtest, musst du dich auch mit dem Gedanken befassen, dass du nicht dein Leben lang eine Festanstellung haben kannst, haben wirst.

Heike Drexel: Mit allen Chancen der Zeiteinteilung, der Selbstverwirklichung und so weiter und den Risiken.

Susanne Prothmann: Genau. Und dass dir niemand, wenn du krank bist oder in Urlaub fährst, dein Gehalt weiterzahlt. Das ist wirklich was, was ich auch lernen musste. Weil in der Ausbildung sagt dir das keiner. Du lernst, Fotograf zu werden, du lernst Bildgestaltung, du lernst technische Mathematik, du machst Arbeitsproben und, und, und. Aber – also zumindest habe ich das damals nicht gelernt, ich weiß nicht, wie es heute in der Ausbildung ist – mir hat keiner gesagt, wie ich ein Angebot kalkulieren muss und dass ich eben auch bei meinen Angeboten mit einkalkulieren muss, dass ich mal Urlaub mache, dass ich mal krank bin und dass ich dann trotzdem nicht plötzlich am Hungertuch nage.

Heike Drexel: Ja, das ist ja ein Thema, was nach wie vor bei den verschiedensten selbstständigen Berufen immer wieder, ich sage jetzt mal, falsch eingeschätzt wird. Die Kunden sehen immer nur den Preis für das Produkt, sehen aber ja gar nicht, was mit diesem Preis alles abgedeckt werden muss. Die ganzen Versicherungen, die ganze Grundausstattung, die Investitionen, aber auch die Lehrzeiten, die Urlaubszeiten, die Krankheitszeiten, auch mal Rücklagen bilden und so weiter, also alles muss davon abgedeckt werden.

Susanne Prothmann: Da bin ich völlig blauäugig reingestolpert und da würde ich wirklich jedem raten, der so ein Business jetzt aufbauen möchte, da mal von Anfang an genauer zu schauen.

Heike Drexel: Was würdest du denn heute angehenden Fotografen auch raten zum Thema Social Media?

Susanne Prothmann: Oh, ganz schwierige Frage.

Heike Drexel: Deswegen kommt sie auch eher zum Schluss.

Susanne Prothmann: Da triffst du mich natürlich an einer Stelle, die ein bisschen empfindlich bei mir ist. Social Media ist ja eine super Sache, um sich bekannt zu machen, um seine Bilder zu zeigen. Und eigentlich denke ich, gerade als Fotograf müsste man das auch konsequent nutzen, weil es ja eine schöne Plattform ist. Für mich ist es immer sehr schwierig, weil es auch ein großer Zeitfresser ist.

Und ich habe diese Social-Media-Geschichte immer oder ganz lange als so eine schwarze Wolke in meinem Hinterkopf gehabt, die so einen Druck ausgeübt hat: “Du musst ja noch oder du solltest noch.” Aber mir fehlte tatsächlich die Zeit dafür. Also ich mache meine Jobs, ich mache meine Bearbeitungen und ich mache meine Fotoreisen und meine Fotokurse. Und dann ist die Woche und der Tag und das Jahr auch ganz schnell um und ich weiß gar nicht, wo ich dann noch diese zeitintensiven Social-Media-Bearbeitungskampagnen hinstecken soll. Und deswegen habe ich jetzt einfach für mich auch entschieden, es ist so und es ist gut so. Ich habe eine Webseite, wo sich jeder informieren kann über das, was ich mache. Die versuche ich auch einigermaßen aktuell zu halten.

Heike Drexel: Entschuldigung, wenn ich da einhake. Da nur mal gleich der Hinweis an unsere Hörer und Hörerinnen: Die verlinke ich auch in den Shownotes, deine Webseite, sodass sie sich dann über dich informieren können. Genau.

Susanne Prothmann: Genau. Aber ich habe es jetzt eben für mich ganz klar und bewusst gesagt, ich bin jetzt nicht mehr tagtäglich oder wöchentlich präsent auf Social Media, weil ich das einfach nicht leisten kann. Dafür fehlt mir definitiv die Zeit.

Heike Drexel: Das ist auch absolut in Ordnung. Es ist ja eine bewusste Entscheidung. Du weißt, was du damit einkaufst oder auch nicht.

Susanne Prothmann: Genau. Es kann natürlich sein, dass irgendwann mal Zeiten kommen, wo es eben aus irgendwelchen Gründen nicht mehr so rundläuft, wie es sich im Moment darstellt, und dass ich dann darauf angewiesen bin, neue Kunden zu akquirieren und dann vielleicht denke: “Hättest du doch.” Ja, mag sein, aber bis jetzt hat es immer funktioniert, dass ich irgendwas auch wieder neu anbahnen konnte. Und ich bleibe da einfach positiv und optimistisch, dass es auch dann funktionieren wird. Vielleicht kommt irgendwann mal der Punkt, wo ich sage, das ist jetzt eine tolle Sache, die möchte ich jetzt in Social Media auch bekannt machen, und dann kann ich ja diese Tools auch nutzen. Es steht mir ja frei, aber ich habe mich davon freigemacht, von diesem Druck, immer präsent sein zu müssen. Der hat mir einfach nicht gutgetan.

Heike Drexel: Ja, das hört sich nach einer gut überlegten Entscheidung an.

Lieblingsbilder

Heike Drexel: Was ist denn spontan eigentlich dein Lieblingsbild? Oder hast du überhaupt ein Lieblingsbild? Wenn man so viele Fotos sieht … Also ich frage das deswegen, weil wenn mir jemand diese Frage stellen würde – ich hatte es dir ja auch verraten vorher –, also es ist nicht mein Lieblingsbild, das ist jetzt vielleicht ein falscher Ausdruck, aber es gibt tatsächlich ein Foto, das ich mal vor Jahren in einer Kunstausstellung gesehen habe von der Annie Leibovitz. Und das ist dieses Bild von Donald Trump mit seiner Frau Melania damals, als sie hochschwanger war, also auch dieses Schwangerenporträt. Und da waren die irgendwie vor einer Militärmaschine gestanden und er im Auto, in so einer großen Limousine, und sie auf dieser Treppe hoch in diese Militärmaschine.

Susanne Prothmann: Ganz furchtbar.

Heike Drexel: Ich fand das so schrecklich, dieses Bild, das, was es auch ausgestrahlt hat, dieses Martialische. Also ich fand es einfach ganz schrecklich. Und da war ja noch überhaupt nicht absehbar, dass er mal Präsident werden würde. Aber dieses Bild hat mich total getriggert. Gibt es so ein Bild bei dir?

Susanne Prothmann: Nein. Nein, gibt es nicht. Es gibt so ein paar Porträts, die mir im Kopf geblieben sind, die ich auch sehr mag. Da ist zum Beispiel eines – ich weiß nicht, ob du das kennst –, das nennt sich das “Mädchen mit den grünen Augen”. Das ist ein afghanisches Flüchtlingsmädchen. Das war bei “National Geographic” auf der Titelseite, ist von Steve McCurry. Und das ist so ein ganz intensives Bild mit so einem ganz intensiven Blick, was mir sehr, sehr im Gedächtnis geblieben ist und was ich auch sehr mag, diese Art der Fotografie. Dann irgendwann, glaube ich, 20 Jahre später hat er die gleiche Frau noch mal fotografiert.

Heike Drexel: Davon habe ich auch was gesehen.

Susanne Prothmann: Genau. Er hat dann recherchiert und “National Geographic” hat sich dann da auch irgendwie eingeklinkt. Und irgendwie haben sie dann diese Frau gefunden und haben da auch noch irgendwie so einen Augenscanabgleich, ob es dann wirklich auch die gleiche Person ist, gemacht und dann hat er sie noch mal fotografiert. Und sie hat dadurch auch eine gewisse Berühmtheit erlangt.

Aber das sind so Sachen, so ganz intensive Porträts, die ich sehr mag, die mir dann auch lange hängen bleiben. Ansonsten habe ich jetzt so wenige Einzelfotos, wo ich so sage, das sind so meine Lieblings- oder hängen gebliebenen Fotos. Ich bin wirklich ein Naturfotoliebhaber. Da kann ich mich nicht sattsehen, wenn ich gute Naturfotos aus aller Herren Länder sehe. Das ist so was, was ich sowohl entspannend als auch sehr anregend finde, mir so was anzugucken.

Heike Drexel: Und da zeigt sich, glaube ich, auch die wirkliche Kunst. Weil ich fotografiere ja, wie gesagt, selber auch gerne mit dem Handy, aber wo ich wirklich immer merke, dass man total an seine Grenzen kommt, das ist eben bei Natur, also insbesondere Sonnenuntergänge, so bestimmtes Licht, wenn man das so sieht und denkt sich, das ist so wunderschön. Dann mache ich ein Foto und das Foto ist ein solcher Abklatsch. Also nicht im Ansatz trifft es diese Stimmung wieder, die man in dem Realen gesehen hat. Das ist bei anderen Sachen anders. Produktfotografie oder so, das kann ich locker machen. Da ist das Bild relativ nah an der Realität. Aber gerade bei diesen Landschaftsfotos mit diesen Stimmungen, da es ist ganz weit weg oft. Ja, spannend.

DER Umgang mit verschiedenen Aufträgen

Heike Drexel: Hast du eigentlich mal Anfragen bekommen, Bilder zu machen, wo du gesagt hast: “Nein, das möchte ich jetzt nicht machen”?

Susanne Prothmann: Nein, im Großen und Ganzen nicht. Wo es schon mal kommt, womit ich dann nicht so konform bin, das ist was, worüber wir eben auch schon gesprochen haben, was ich im Vorfeld dann aber abkläre, wenn die Leute zu viel Retusche möchten. Also wenn schon direkt klar ist: “Ich möchte das und das fotografiert haben, aber es soll nicht so dargestellt werden, wie es ist, sondern so und so und so.” Und damit kann ich nicht gut, also damit kann ich mich nicht identifizieren. Das kläre ich dann aber auch im Vorgespräch eben ab, dass ich sage: “So geht das bei mir nicht. Es ist vielleicht besser, Sie wenden sich da an Kollegen/Kolleginnen, die das für Sie so erarbeiten können, weil ich stehe nicht dahinter und ich mache es dann auch nicht gut.” Oft ist es aber so, dass man dann einen Alternativvorschlag macht, worauf der Kunde noch gar nicht gekommen ist, dass man es vielleicht auch so und so darstellen kann, ohne jetzt wirklich die Wirklichkeit zu verändern. Und dann ergibt sich das dann doch.

Wobei ich finde, die Leute, die anfragen, die haben sich ja vorher informiert über die Webseite und da kann man ja schon sehr gut sehen, welchen Stil der Fotograf innehat. Und ich mag wirklich gerne lachende, offene Fotos und das sieht man auch meinen Bildern an, was jetzt nicht heißt, dass ich nicht auch mal ein ernstes Porträt aufnehmen kann, aber so vom Stil her mag ich einfach diese Offenheit, die Menschen ausstrahlen können. Und wenn jetzt einer ein Unternehmen hat, wo er sagt, das ist aber alles hier jetzt eher so sehr seriös und da passt es einfach nicht, wenn einer sich da so offen lachend hinstellt, dann ruft er mich auch, glaube ich, gar nicht an. Dann sucht er einfach weiter und sucht bei den Kollegen, wo es eben so dargestellt ist, wie es ihm gefällt. Und das ist ja auch gut, wovon wir eben schon auch sprachen, dass nicht jeder alles machen muss, sondern dass jeder das anbieten kann, was ihm liegt und wo er dahintersteht.

Heike Drexel: Hast du denn eigentlich schon mal Prominente fotografiert?

Susanne Prothmann: Nein. Nein, wüsste ich jetzt so spontan nicht, dass da schon mal einer vor der Linse war. Wobei ich, glaube ich, da auch gar keinen Unterschied machen würde.

Heike Drexel: Das wäre so die nächste Frage gewesen, die ich dann gehabt hätte, so quasi, ob es da einen Unterschied gibt.

Susanne Prothmann: Also ich glaube jetzt nicht, wenn der Olaf Scholz plötzlich vor mir sitzen würde – nein, ich würde es genauso angehen wie mit Heike Drexel. Die Frage ist ja immer: Für welchen Zweck wird das Bild gemacht? Und da ist natürlich bei einem Prominenten wahrscheinlich ein anderer Hintergrund als jetzt für einen selbständigen Unternehmer. Also da würde man vielleicht von daher ein bisschen anders herangehen an die Sache. Aber wie ich mit den Menschen umgehe, da ist mir eigentlich vollkommen egal, ob er prominent ist oder nicht.

Abschlussfrage

Heike Drexel: Ja, Susanne, ich habe ja jetzt in den letzten Malen immer so zum Schluss eine Frage gestellt, um so ein bisschen die Zukunft zu eruieren, mal zu sehen, wie du sie dir vorstellen könntest. Und als Unterstützung habe ich dabei noch gedacht: Wie wäre es denn, wenn du zum Beispiel 5 Millionen im Lotto gewinnen würdest?

Susanne Prothmann: Yay!

Heike Drexel: Ja. Wie könntest du dir da deine Zukunft vorstellen?

Susanne Prothmann: Wenn ich 5 Millionen im Lotto gewinnen würde, würde ich sofort eine Weltreise machen und auf dieser Weltreise unglaublich viele Fotos machen, die ich dann in die ganze Welt verschicken würde.

Heike Drexel: Oh, sehr gut!

Susanne Prothmann: Also was das Ziel betrifft, würde ich mich einfach im Moment freuen, wenn ich neben der Businessfotografie die Fotoreisen mit eben interessierten, fotobegeisterten Menschen noch weiter ausbauen könnte, dass das beides also so ein bisschen nebeneinander laufen könnte. Dieses Unterwegssein, dieses Gemeinsam-die-Welt-Entdecken, das würde mir schon sehr gut gefallen, wenn das jetzt wirklich mal rundlaufen würde und nicht pandemiebedingt wieder eingeschränkt werden müsste. Das wäre so ein Wunsch von mir.

Heike Drexel: Ja, den Wunsch kann ich sehr gut nachvollziehen. Ich glaube, das wünschen wir uns echt auch alle jetzt so mit der ganzen Pandemie, ob das jetzt Corona ist oder jetzt vielleicht Affenpocken oder was weiß ich, was da alles noch kommt, abgesehen mal jetzt auch von dem ganzen Thema mit dem Krieg, aber dass wir alle da in Frieden reisen können und schöne Dinge erleben können.

Susanne Prothmann: Genau.

Heike Drexel: Ja, schön. Vielen, vielen Dank, Susanne, für dieses wunderbare, aufschlussreiche Gespräch über Fotografie und deinen Werdegang, deine Selbstständigkeit. Ich wünsche dir alles Gute und bis bald!

Susanne Prothmann: Ich danke dir. Für dich auch alles Gute.

Heike Drexel: Danke schön! Tschüss!

Susanne Prothmann: Tschüss!

Heike Drexel: Susanne, eine Frage habe ich noch: Wie wichtig ist dir denn eigentlich so die Anerkennung deiner Kunden für dein Business? Ist dir das überhaupt wichtig?

Susanne Prothmann: Also das ist auf jeden Fall wichtig. Das ist sogar essenziell. Weil wenn ich ein Porträt mache und der Kunde ist nicht damit zufrieden, bin ich auch nicht zufrieden. Also ich freue mich diebisch, wenn jemand ins Studio kommt oder ich in eine Firma komme und dann ist da erst mal schlechte Stimmung, weil derjenige sagt: “Ich bin ganz unfotogen, es gab noch nie ein schönes Foto von mir und jetzt hierherzukommen, das ist ungefähr genauso schlimm, wie zum Zahnarzt zu gehen”, und wenn man dann aber eine Basis aufbauen kann, Vertrauen aufbauen kann, eine gute Stimmung herstellen kann und Fotos machen kann und dann plötzlich ein Bild macht, wo derjenige womöglich auch noch lacht, obwohl er mir vorher erklärt hat: “Zähne zeigen geht gar nicht”, und hat es dann aber doch gemacht aus der Situation her und stellt dann fest: “Wow, da mag ich mich. Das ist ein Bild, das mich wirklich mal schön zeigt.” Das ist was, wo ich dann richtig zufrieden bin und mich richtig freue. So soll es eigentlich immer ausgehen.”!