Hallo und herzlich willkommen im Podcast “Unternehmen im Gespräch”, dem Interview Podcast mit Unternehmerinnen und Unternehmern aus dem Rheinland. Ich bin Heike Drexel und ich freue mich sehr auf meine heutigen Gäste, die beiden Geschäftsführer der Keil Befestigungstechnik GmbH, Gerda Söhngen und Christian Schmidt. Hallo Gerda, hallo Christian.
Gerda Söhngen: Hey.
Christian Schmidt: Hallo Heike.
VORSTELLUNG UND WERDEGANG GERDA SÖHNGEN
Heike Drexel: Hi, ihr zwei, ihr führt das mittelständische Unternehmen Keil, mit, ich glaube, 30 Mitarbeitern, so ungefähr und Mitarbeiterinnen. Und seid als Zulieferer in der Baubranche tätig. Der Firmensitz ist hier in Engelskirchen, das ist für alle, die den Ort nicht kennen, hier im Bergischen Land bei Köln. Und so schön das Bergische Land ist, das allein hat, mich aber nicht hierher gelockt. Ich hoste nicht nur einen Podcast, sondern ich höre auch gerne selbst viele Podcasts, dadurch bin ich nämlich auf euch aufmerksam geworden. Und zwar habe ich das Gespräch mit Gerda im Podcast von “Wir”, dem Magazin für Unternehmerfamilien gehört. Es ging dabei um das Thema Nachfolge. Was macht Nachfolge zukunftsfähig? Und es ging um euch beide als Tandem-Geschäftsführung. Ich hörte was von Gerda mit einem Baby auf dem Konferenztisch und von euch beiden, wie ihr euch streitet wie ein altes Ehepaar. Das hat mich sehr neugierig gemacht auf eure Geschichte. Vielleicht fangen wir mal ein bisschen chronologisch an. Okay, Gerda, kannst du mir einfach mal wirklich so die Story erzählen, wie es dazu gekommen ist, dass du heute als Geschäftsführerin und Inhaberin hier in der Firma arbeitest? Und ich darf das jetzt auch mal ein bisschen spoilern, dass im zweiten Anlauf.
Gerda Söhngen: Ja, genau. Also so war das gar nicht geplant, wie so oft. Der erste Anlauf war eigentlich ein bisschen nach dem gängigen Konzept, wie es in vielen Familienunternehmen ist. Das heißt, meine Eltern, beide als Geschäftsführer, haben mich in die Assistenz der Geschäftsführung gelassen, geholt. Nach meiner Ausbildung und meinem Studium bin ich also eingestiegen. Und das war dieses typische durchläuft, durchläuft erstmal alle Abteilungen. Guckst dir erst mal alles in Ruhe an und habe aber in dem Prozess auch schon den Austausch mit meinen Eltern sehr stark gehabt und festgestellt, dass wir sehr unterschiedlich in unserer Vorstellung von Führungsstil sind. Also gar nicht wertend, sondern einfach nur unterschiedlich. Und dann habe ich irgendwann gesagt: Okay, ich fühle mich irgendwie nicht ganz so wohl, weil ich auch gemerkt habe, dass ich immer versucht habe, mich in diese Rolle zu pressen. Diese Rolle einer Geschäftsführerin, wie sie auszusehen hat, wie sie zu sein hat, wie sie sich zu geben hat und habe mich so gefühlt verkleidet, Tattoos versteckt oder habe mir manche wieder neue Ideen oder Schnapsideen an Haarfarben nicht mich nicht getraut, weil das gehörte nicht so in diese Welt. Vor allem Baubranche, muss man ja sagen, ist eine sehr traditionelle Branche. Und dann habe ich tatsächlich mich dann entschieden, wieder aus dem Unternehmen rauszugehen und habe dann meiner Mutter an einem Spätnachmittag dann gesagt, dass ich dann kündigen werde und das Familienunternehmen doch wieder verlasse. Das ist natürlich eine nicht so leichte Entscheidung, gerade so was seinen Eltern mitzuteilen. Und ja, dann bin ich rausgegangen und habe mich selbstständig gemacht in der Sportbranche, weil ich da auch ja nebenberuflich immer viel gemacht habe. Und in dieser Zeit bin ich schwanger geworden. Wir haben eine wundervolle Tochter gekriegt, Rita. Und sie war gerade drei Monate und ich hatte das gerade versucht zu händeln mit erstmalig Mutter, Selbstständigkeit, dann willst du auch noch stillen und alles mögliche. Also es war nicht ohne. Und dann hatte mich meine Mutter angesprochen und gesagt: Ja, sie würden doch noch mal fragen wollen, ob ich wirklich nicht zurückkommen möchte, weil die ersten Gedanken so Thema Rente kamen auf. Wenn denn dann in einigen Jahren. Also das langfristige Denken, wie es in Familienunternehmen so ist: Wie geht es dann weiter?
Heike Drexel: Darf ich da kurz einhaken? Hast du auch Geschwister? Also die auch vielleicht in Frage gekommen wären?
Gerda Söhngen: Jein. Also ich habe eine Schwester und die ist aber glücklich im Lehramt angekommen und deswegen war da nie so diese Verbindung zu dieser Industrie oder zu diesem Unternehmen. Die emotionale und die persönliche Verbindung, ja, aber rein fachlich oder in die freie Wirtschaft zu kommen, dass jetzt in der Form nicht, nein.
Heike Drexel: Und du hattest ein Fitnessstudio oder warst Personal Trainer.
Gerda Söhngen: Ja, genau. Ich habe viele Jahre nebenberuflich als Fitnesstrainerin gearbeitet, habe mich dementsprechend auch ausbilden lassen als Gruppenfitness Trainerin mit vielen Spezialrichtungen. Da hatte ich dann eigene Kurse, die ich unterrichtet habe und dass halt immer am Wochenende, so nach der Arbeit, abends irgendwann. Das hat mir einfach nur Spaß gemacht. Und dann habe ich gedacht, die Selbstständigkeit könnte ich ja dann verbinden. Ich habe da einen leichten Background, muss mir nur gute Trainer holen, die auch langjährige Erfahrung haben, bringen aber die Qualifizierung mit, dass ich auch selbstständig sein kann. Das heißt, begonnen bei einem Businessplan, vernünftige Planung, vernünftigen Aufbau von so einem Studio und Führung. Und dann habe ich gedacht, dann vereine ich diese Mittel miteinander und versuche es mal in der Selbstständigkeit. Und das war das erste Mal, dass ich dann für mich erfahren habe, was auch komplette 100 Prozent Eigenverantwortung zu bedeuten hat, genau.
Heike Drexel: Mit eigenem Geld sozusagen gestartet, oder bist du zur Bank oder Gründungszuschuss?
Gerda Söhngen: Ja, genau. Ja, ja, ich bin tatsächlich… Das war ziemlich witzig. Ich bin zur Bank gegangen und habe meinen Businessplan mir vorher ausgearbeitet, natürlich viel gegoogelt und das alles gemacht und war ja hoch nervös. Ich habe so was noch nie gemacht.
Heike Drexel: Wie alt warst du da, wenn ich fragen darf?
Gerda Söhngen: Wie alt war ich da? Ich glaube so 24, 25. Und dann, ja dann bin ich dann da hin. Und dann weiß ich noch, dass der Banker, wir waren relativ schnell per Du, haben uns gut verstanden und dann hat er das nur ausgeklappt und das war so, so ein mega langer Ausdruck, weil ich halt versucht habe, das wirklich in die Langfristplanung zu legen. Aber wirklich die Monatsbetrachtung und wann habe ich wirklich den ersten Ertrag geplant und wie und wo? Und er guckte da total fassungslos drauf und ich dachte nur so: Shit, jetzt habe ich irgendwie… Ich habe es voll verbockt. Irgendwas habe ich falsch gemacht und er sagte dann nur so: Gerda, sowas habe ich noch nie gesehen. Ich so: Hä, wieso? Er so: Ja, das ist komplett fertig. Also ich war noch nicht an dem Step, dass der Businessplan erfordert war, aber er sagte, du hast ihn gerade fertig gemacht. Ich so: Ja, aber das ist doch wohl das Mindeste, wenn ich euch frage… Wenn ich Geld von euch haben möchte, dann muss ich ja wenigstens so was schon mal liefern. Und dann sagt er: Damit kommt fast keiner hier hin. Also erstmal kommen die nur und sagen: Ich möchte Geld, aber sagen noch nicht konkret, wie sie das dann umsetzen können. Da war ich natürlich dann schon mal sehr stolz und habe dadurch auch die Unterstützung gekriegt, die ich brauchte. Ja, genau und konnte das auch… Gott sei Dank ist der Plan auch so aufgegangen, wie ich ihn mir dann vorbereitet habe und konnte das dann auch zügig wieder zurückzahlen. Ja, also es ist sehr erfolgreich gelaufen. Das Studio wurde auch später abgekauft, übernommen. Aber tatsächlich, da kam auch raus, dass es auch viel an der Person, an den Menschen liegt, weil es war Personal Training. Ich war viel im emotionalen Austausch mit den ganzen Kunden und da sind dann einige dann leider auch gegangen als ich dann weggegangen bin. Ja, genau.
Heike Drexel: Ja okay, dann aber zurück genau zur Familiengeschichte.
Gerda Söhngen: Ja, genau.
Heike Drexel: Und dann sind deine Eltern noch mal gekommen, weil es auch eine Veränderung irgendwie gab bei euch, so in der Struktur der Unternehmen.
ÜBERNAHME VOM FAMILIENBETRIEB
Gerda Söhngen: Genau, also es waren früher waren es zwei Unternehmen. Das eine war Werkzeugindustrie und das andere in der Bauindustrie und das Unternehmen in der Werkzeugindustrie, das haben meine Eltern damals verkauft, weil es einfach ganz schwierig war, sage ich mal, aufrecht zu bleiben neben den ganzen großen Marktteilnehmern, da waren wirklich riesige Konzerne und dann war das die Absicht.
Heike Drexel: Konkurrenz, sind das so Firmen wie Würth oder so? Hatte ich jetzt mal so ein bisschen recherchiert.
Gerda Söhngen: Also ja, genau. Also wenn wir jetzt über die Werkzeugfabrik sprechen, wo es dann ja um Bohrer ging, da waren dann die Konkurrenten Bosch, Hilti, die ganzen Großen. Und bei uns in der Baubranche, das würde ich jetzt erst mal noch ein bisschen rausstellen oder mal eben auf die Seite schieben, weil das ist, glaube ich, da kann Christian ganz gut gleich mal eben drauf eingehen, was das für uns im Unternehmen betrifft. Aber auf jeden Fall war das Unternehmen der Werkzeugindustrie verkauft und dann war die Idee: Jetzt haben wir das andere Unternehmen, wollen wir das nun verkaufen oder will die Gerda nicht doch wieder einsteigen? Ja, und dann habe ich eigentlich gesagt: Auf gar keinen Fall, weil wir haben eine Tochter, die ist drei Monate alt, wir haben, ich habe ein Studio, das funktioniert gar nicht. Und ja, wir wissen ja vom letzten Mal, dass wir nicht so gut in der Zusammenarbeit sind. Und dann hatten wir aber eine Unternehmensberatung, die TMS aus Köln. Die hat uns da unterstützt und hat immer so ein bisschen Klartext die Fragen auf den Tisch geworfen und dann haben die das auch wieder gemacht und haben gesagt: Ja, aber was wären denn die Bedingungen? Und genauso hat mein Mann auch zu mir gesagt: Ja, wenn die ganzen Abers nicht wären, würdest du es denn dann machen wollen? Ich sage: Ja, aber sie sind halt da. Ja, und dann kam das, was du vielleicht auch schon woanders mal gehört hast. Dann sind wir nach Köln und haben gesagt, wir sprechen jetzt einfach mal offen und ehrlich darüber. Und dann sind mein Mann und ich mit unserer drei Monate alten Tochter nach Köln gefahren, meine Eltern dazu und die Unternehmensberatung. Und dann haben wir da Rita mitten auf dem Besprechungstisch liegen gehabt, weil wir ja auch alle daran teilnehmen wollten. Und dann war das so, hoffentlich schläft sie jetzt hier ein oder ist einfach erst mal zufrieden. So ganz kleine Babys kannst du ja auch erst mal auf den Bauch legen. Die gucken sich erst mal alles an. Ja, und dann haben wir das ausklamüsert, was denn die Bedingungen wären. Und dann kam die ganz schnell raus. Und zwar das eine war, ich könnte nicht beides machen. Ich müsste meine Selbstständigkeit wieder aufgeben, mein Studio verkaufen. Das andere war, wir bräuchten eine Lösung für unsere Tochter und nicht eine, mit der wir uns unwohl fühlen, sondern mit der wir ein gutes Gefühl haben. Ich möchte gerne einen Co-Geschäftsführer haben. Also ich möchte nicht alleine in die Verantwortung gehen, was natürlich auch durch die Selbstständigkeit mir bewusst wurde, dass es schön ist, wenn man jemanden hat, mit dem man sich zusammen ärgern zusammen freuen kann, aber auch einfach mal, wenn man ausfällt, sei es durch Familienplanung oder, dass man sich unterstützen kann. Und das Wichtigste war, dass wenn ich reingehe, dann sollen meine Eltern bitte rausgehen. Also, dass wir das nicht in einem fließenden, langen Übergang machen, sondern relativ schnell bitte. Und dann war das Überraschende, dass die dem zugestimmt haben damit.
Heike Drexel: Damit hast du dann gar nicht gerechnet?
Gerda Söhngen: Nein. Also, ich habe das. Es ist klar, das war ja nicht so: Ach so, ja. Okay, ja. Aber ich habe dann auf einmal gemerkt: Ach du Schande. Du hast gedacht, du stellst das einfach mal klar, dass das alles sein müsste. Und das ist ja nicht so, das wird ja nicht passieren. Innerhalb von drei weiteren Monaten hatten wir Interviews geführt, wo unter anderem Christian dann ja auch dabei war.
Heike Drexel: Da hat euch dann auch die Unternehmensberatung dann begleitet in diesem Prozess, weil das habe ich mich auch schon tatsächlich gefragt, wie habt ihr euch denn dann gefunden?
Gerda Söhngen: Ja, genau.
Heike Drexel: Das wollte ich gleich noch mal wissen.
Gerda Söhngen: Ja und dann hatten wir unsere, also meine Schwiegermutter gefragt, ob sie nicht wirklich moralisch, vertraglich als Nanny einspringen möchte. Und das haben wir auch mit ihr wirklich dann auch so abgeschlossen. Sie ist jetzt, seitdem unsere Teilzeit, Vollzeit, also mit knapp 20, 25 Stunden die Woche unsere Nanny und holt unsere Tochter im Kindergarten ab. Und dann, wenn ich Feierabend habe, dann kommen wir wieder zusammen und meine Eltern haben gesagt: Ja, okay, dann gehen wir raus. Und dann habe ich gedacht, jetzt brauche ich noch einen Käufer. Und das war tatsächlich einer, mit dem ich schon länger Kontakt hatte, der mein Studio kannte und sagte: Ich nehme das sofort. Ja, und das war dann noch mal überraschend, dass das auch noch alles aufgegangen ist. Einmal die Zustimmung und dann, dass es auch noch funktioniert hat. Und da werde ich auch so ein bisschen, da sage ich dann: Okay, dann soll es auch so sein. Also, wenn das alles passiert, dann war das jetzt auch so gedacht. Ja, und dann die Frage kam, ich glaube, im August, August, September, Oktober, ich glaube, im November hatten wir das erste Gespräch mit Christian und im Februar darauf bin ich eingestiegen ins Familienunternehmen und der Christian zwei, drei Monate später. Genau. Ja, und jetzt sind wir hier schon seit mittlerweile vier, fünf Jahren.
DER BLICK HINTER DIE KULISSEN
Heike Drexel: Spannend. Finde ich echt spannend. Christian, bevor ich noch mal gleich jetzt auch noch mal einhake, eine Frage möchte ich dir noch gerne dazu stellen. Und zwar ich habe in diesem “Hermann und ich” Nachfolge Podcast, den habe ich mir auch angehört vorher, da hatte ich von den Hosterinnen gehört, die selbst ja auch Nachfolgerinnen sind in ihrem jeweiligen Familienunternehmen, eine sehr interessante Frage, die ich nämlich dir auch stellen möchte. Und zwar: Hättest du das Unternehmen Keil selbst gegründet?
Gerda Söhngen: Auf gar keinen Fall. Und ich finde das witzig, weil du sagst, es wird auch oft gesagt, diese Frage muss man mit Ja beantworten, weil sonst ist es das nicht. Und ich sage: Auf gar keinen Fall. Ich sitze doch nicht bei mir im Studium und sage: Ja, klar habe ich mir schon immer überlegt, einen Hinterschnittanker für die Befestigung von Fassadentafeln zu entwickeln. Also nein, weil es ist die Nische der Nischen, der Nischen und das wäre mir nicht eingefallen. Und es ist ein technisches Produkt. Aber ich habe deswegen auch die Überzeugung, ich muss nicht das Produkt in der Form selber erfunden haben oder sagen, das ist es, sondern ich finde das ganz Spannende. Und was mir auch so viel Spaß macht, viele sagen immer so, technisch langweiligen Produkten einen Charakter zu geben, ein Gesicht zu geben. Es ist immer leicht, wenn du was weiß ich, entwickelst irgendwie einen neuen Riegel oder sowas, dem kannst du dann Farbe, Form und Charakter geben und Emotion. Wie machst du das denn bei einem technischen Produkt? Und das ist das, was mich eigentlich daran so reizt und was mir auch so viel Spaß macht, weil viele kommen hier an und sagen: Wow, was ist hier los? Oder wie schaffen wir das auch auf Messen einen gewissen Auftritt zu machen und wirklich Emotionen zu vermitteln, mit einem technischen Produkt, was in der Bauindustrie verwendet wird und du am Ende, wenn es verwendet wurde, noch nicht mal siehst. Also das ist eine Challenge und das finde ich halt das Coole daran. Und deswegen ist meine persönliche Überzeugung, ich muss es nicht eins zu eins so gemacht haben, ich muss aber eine Emotion zu diesem Produkt oder zu diesem Unternehmen haben. Und das Unternehmen macht nicht das Produkt aus, sondern die Menschen, die darin arbeiten.
Heike Drexel: Ich glaube, also, man könnte jetzt sagen, du bist so der Corporate Influencer deiner Firma.
Gerda Söhngen: Ja.
Christian Schmidt: Ganz sicher. Ich finde die Frage auch eigentlich falsch. Die muss man sich gar nicht stellen, weil man kann sich in Branchen bewegen, die auf den ersten Blick total spannend aussehen, die aber, wenn man genauer hinschaut, gar nicht so spannend sind. Wenn ich meine Historie gucke, ich habe ganz viel gemacht im Bereich der Eventindustrie, der Musik, der Mode, aber das sind gar nicht so spannende Branchen. Und man kann einfach auch ein Produkt, was auf den ersten Blick nicht spannend ist, spannend gestalten. Es ist echt die Frage, was man draus macht.
Heike Drexel: Ich glaube, es lassen sich viele ja leiten, die ja alle so in diesem Medienbranchen wollen, weil es vielleicht so von, ja auch diesen Promifaktor oder diesen Glanz und Glamour.
Gerda Söhngen: Ja, die wollen alle so ein sexy Produkt und wir finden es eigentlich ganz witzig, dass wir sagen: Ja, unser Produkt ist ja eigentlich gar nicht so sexy. Das macht es aber ja auch so cool, dass wir es trotzdem als machbar sehen und dass das für uns kein No go ist. Dass das nicht möglich ist, es in irgendeiner Form attraktiv oder persönlich zu machen und das mit Emotionen aufzuladen. Und ich glaube, wenn du dir ein Produkt suchst, wo das so selbstverständlich ist, dann hast du auch wieder einen ganz anderen Markt. Dann kannst du dich da gar nicht so absetzen. Das macht gar keinen Spaß, weil das macht ja jeder so. Es ist so selbstverständlich, finde ich.
Christian Schmidt: Genau, ich glaube, das ist auch ein Teil unseres Erfolgskonzeptes. Also man sieht einfach, mit dem, was wir tun, fallen wir auf bei uns in der Industrie. Wenn wir genau das Gleiche tun würden und würden damit auf eine Sportmesse gehen, würden wir gar nicht auffallen. Ja, deswegen wir können das…
Heike Drexel: Ja viele Leute jetzt heute, die ja jetzt in den Arbeitsmarkt kommen, die jüngere Generation, die sagt ja immer, sie will einen Purpose haben, also so für was sie brennt, wenn sie arbeiten. Was könnt ihr denn denen eigentlich sagen?
FÜHRUNGSSTIL TANDEM-GESCHÄFTSFÜHRUNG
Gerda Söhngen: Also ich denke, also die erste Kerninfo war jetzt, dass ich einen Purpose nicht an einem Produkt abhängig mache. Also ich selber muss ja, wenn ich nach Hause komme, mich angetrieben fühlen im besten Fall. Mein Mann hat immer gesagt, dass es bei mir sehr auffällig ist, wenn ich nach Hause komme und kann die Tage ja vergleichen, wir haben was weiß ich, Umsatzboom, mega gut, dann sagt er, dann komme ich auch glücklich nach Hause. Aber manchmal ist es so, das hört sich total trübe an, aber dass ich das sogar vergesse zu erwähnen. Ich bin dann einfach nur zufrieden. Aber wenn wirklich innerhalb unserer Mannschaft, unseres Teams irgendwas passiert, dass ich irgendwie zwei, die sich immer miteinander streiten, auf einmal gut zusammengearbeitet haben oder irgendein Meeting, was immer anstrengend war, auf einmal total produktiv war, dass ist das, wovon ich begeistert zu Hause erzähle. Und ich glaube, das musst du für dich herausfinden, was dich wirklich begeistert. Und dann motivierst du dich auch selber dazu, diese Situation, diese Begeisterung dafür immer hervorzurufen. Und das kannst du unabhängig von jedem Produkt in einem Unternehmen machen. Deswegen ist es, glaube ich bei mir auch so, dass ich damit nicht so verknüpft bin. Mir ist es viel wichtiger, dieses Gefühl im Emotionalen, bei der Mannschaft zu erzeugen. Ja.
Christian Schmidt: Ich glaube, dass ist bei den meisten, das mittlerweile angekommen ist. Also wir können nicht alle die Welt retten, wir können nicht alle für Unternehmen arbeiten, die für den Weltfrieden sind oder die ganze Welt mit Wasser versorgen. Irgendeiner muss das Toilettenpapier herstellen. Und dass diese Werte des Unternehmens ganz wichtig sind für den Purpose, wie du mit den Menschen umgehst, wie du führst. Ja, und das geht genauso, wie Gerda gesagt hat, eigentlich mit jedem Produkt, in jedem Unternehmen. Ich glaube, Werte sind wichtiger als Purpose.
Heike Drexel: Stichwort Führung. Jetzt habt ihr ja diesen Begriff gewählt: Tandem-Geschäftsführung. Ich habe das tatsächlich mal gegoogelt, um mal zu sehen, was jetzt eigentlich so der Unterschied ist zu dem, sage ich mal, normalerweise, wenn man jetzt in eine GmbH guckt und sieht: Ah ja, das sind zwei Geschäftsführer, dann weiß ich ja, der eine hat… Früher war das dann immer sehr traditionell, der eine ist mehr so der technische Geschäftsführer und der andere ist mehr die kaufmännische Geschäftsführung. Ihr sagt aber bewusst Tandem, in Google heißt es, dass ihr wirklich alles gleich macht, also für alle Bereiche gleich zuständig seid und euch da absprecht. Ist das so?
Gerda Söhngen: Ja, ich würde sagen, es ist so, dass wir… Das Beispiel, was du eben gesagt hast, mit einem der vertrieblich oder der andere wiederum mehr technisch aktiv ist. Diese Trennung haben wir nicht und wir haben eine viel größere Schnittmenge. Also die Schnittmenge, sagen wir, darf nicht zu groß sein, im Sinne dessen, dass wir uns nur im Weg stehen und uns aufhalten. Dann ist es auch, dann passiert auch schneller so ein, weiß ich nicht, so ein genervt sein voneinander. Die Schnittmenge darf aber auch nicht zu klein sein, so wie es früher war. Wir haben es komplett getrennt. Wenn wir es komplett getrennt haben, dann entsteht ein Desinteresse, vielleicht aber auch sogar ein Konkurrenzdenken. Also es ist kein gesunder Umgang. Also wir haben gesagt, wir brauchen immer eine gewisse Schnittmenge und da befinden wir uns in dieser Tandem-Form, wo wir wirklich auch zusammen erarbeiten, zusammen viel brainstormen oder auch in Klausur gehen, uns austauschen und versuchen halt auch da die Beziehung so zu pflegen, dass wir nicht einfach nur Kollegen sind. Also, dass auch wirklich diese Ebene halt auch zusammenarbeiten kann und dieses Vertrauen da ist und das ist, glaube ich, damals in der Form gar nicht notwendig gewesen. Du hast das einfach alles viel radikaler voneinander getrennt. Da waren auch die Ansprüche ganz andere. In dieser Form, glaube ich, ist das heute in einem Familienunternehmen, wo ich wirklich auch, wo wir wieder zurückkommen, nicht nur hingehen will, um zu arbeiten, sondern wir sprechen gerne von Work Life Integration. Das heißt, ich gehe auch gerne zur Arbeit, weil das auch mein Life ist. Und so sollte es sich auch anfühlen. Und das sollte nicht der schlechte Teil des Tages sein, im besten Fall. Ja, der mit Verpflichtungen et cetera, aber es sollte auch zu dem Teil gehören, den ich auch gerne zu Hause erzähle, wo ich auch irgendwas erfahren oder gemacht habe. Und dann kann ich nicht einfach radikal sagen: Trennen, du bist da zuständig und ich bin da zuständig.
Christian Schmidt: Ich mag die Frage sehr. Ich habe da heute Morgen noch drüber nachgedacht. Ich habe heute Morgen im Bett gelegen, habe ein bisschen bei LinkedIn gesurft und habe da auch noch mal einen Beitrag gelesen von jemandem zu dem Thema Co-Leadership. Und habe auch darüber nachgedacht und auch gegoogelt: Wo ist eigentlich der genaue Unterschied zwischen Co-Leadership, zwischen Tandem-Führung? Dabei ist mir wieder aufgefallen, es gibt eigentlich gar nicht den richtigen Begriff dafür. Uns fällt auch immer wieder auf, dass es unser Modell sehr, sehr selten gibt. Also es gibt immer dieses Modell, dass Mann und Frau zusammen ein Unternehmen führen oder Brüderchen und Schwesterchen oder Schwester und Schwester, was weiß ich. Das gibt es relativ häufig. Oder dass das Unternehmen komplett in externer Hand gegeben wird, das gibt es auch, aber dieses Modell, dass man einen internen und externen Geschäftsführer hat, das hat man wirklich sehr selten. Also alle da draußen, wenn ihr das auch macht, meldet euch gerne mal bei uns. Wir tauschen uns sehr gerne mal aus.
Heike Drexel: Und ihr seid beide auch so ein bisschen, beide die Außenminister eurer Firma. Weil manchmal hat man auch so dieses Modell, einer oder eine ist eben eher so das Bild nach draußen. Ich hatte auch ein Interview mal mit Frau Kirberg, von Kirberg Catering. Die ist ja so die Außendarstellung ihres Unternehmens und die anderen sind mehr wirkend, mehr so nach innen. Das bei euch auch anders?
Gerda Söhngen: Ja, weil wir es wieder nicht auf Personen aufteilen, sondern auf Stärken aufteilen. Es gibt Momente, wo es einfach Sinn macht, dass der Christian da in die Außenwirkung geht. Und es gibt Veranstaltungen oder Situationen, wo es Sinn macht, dass ich in die Außenwirkung gehe. Also wir sortieren. Wir machen uns schon vorher immer Gedanken, wer ist denn hier die Person, die hier vorrangig ja vorne stehen sollte? Es gibt auch Veranstaltungen, wo wir sagen, ganz gezielt, da geht es um das Thema Zusammenarbeit, da treten wir bewusst zu zweit auf. Und es gibt wiederum, sei es auch Thema Reisen, wo wir überlegen: Müssen wir da zusammen auftreten? Geht es da wirklich um diese Botschaft? Oder es gab auch schon Termine, wo wir gesagt haben, hier ist es jetzt gezielt sinnvoll, dass ich als Frau oder als junge Frau reingehe oder genauso andersrum, wo man sagt: Ja, komm, hier ist jetzt auch Kultur Mentalität, hier macht es einfach Sinn, dass der Christian diesen Part übernimmt. Also stärkenorientiert und nicht einfach auf Köpfe aufgeteilt.
Christian Schmidt: Ja, aber du hast schon recht, wir sind beide sehr präsent. Das ist nicht einer, der wirklich im Vordergrund steht. Aber es ist genauso, wie Gerda sagte: Wir schauen sehr genau hin, wer was macht.
STÄRKEN UND SCHWÄCHEN
Heike Drexel: Und was sind deine Stärken, Gerda? Was deine, Christian?
Christian Schmidt: Ich habe keine.
Heike Drexel: Das liegt so nahe jetzt die Frage.
Christian Schmidt: Sollen wir das jeweils für den anderen beantworten?
Heike Drexel: Ja, genau. Was denkst du, Gerda, was ist die Stärke von Christian?
Gerda Söhngen: Also ich finde das immer schwierig. Wir haben ja immer viele Personalgespräche. Also wir machen ja einen sehr starken Austausch mit unseren Leuten. Und wenn ich jetzt daraus so den Schnitt nehme oder mein Fazit nehme, das wo ich immer, ja so, ich tue es nicht in echt, aber es fühlt sich immer so an, als würde ich jetzt rot anlaufen. Ist immer das Feedback in Bezug auf meine Empathie, auf unser Personal bezogen, den Austausch. Mir ist das wahnsinnig wichtig, dass hier die Kultur, dass hier ein gesunder Austausch ist, Kommunikation. Ich bin sehr kommunikativ. Ich bin sehr ehrlich. Ich bin lieber verletzend ehrlich, als dass irgendwas mitgetragen wird. Das ist bei mir sehr krass und da habe ich, ziehe ich mehr Vorteile als Nachteile raus. Gerade in der Führungsposition ist es so, dass ich eher immer das Gespräch dann direkt suche. Und das ist auch beim Christian und bei mir so gewesen, dass Christian da gar nicht stark drin war und ich war da eher so, ich habe dann so den Deeptalk eingefordert, weil ich gesagt habe, das braucht es, sonst funktioniert das gar nicht. Und für Christian wurde das immer noch so stark getrennt, der kommt halt auch aus dem Konzern. Und dann war das so, das eine ist privat, das andere ist beruflich und da wird nicht drüber gesprochen. Da habe ich gesagt: Na ja, hier wird aber jetzt drüber gesprochen, weil das eine beeinflusst auch das andere. Und ja, ich denke, dass das bei mir eine meiner größten Stärken ist, dass ich diesen Austausch suche, aber auch versuche, andere zu motivieren, den zu pflegen, ohne sich dabei schlecht zu fühlen. Das ist mir immer sehr wichtig, ja.
Christian Schmidt: Ich arbeite noch dran. Nein, also meine Stärken, also ich glaube, ich bin ein guter Netzwerker. Ich verstehe relativ schnell Netzwerke, wie die zusammenhängen, wem man wo wie mit wem zusammenführen muss. Eine weitere Stärke, glaube ich, ist, ich bin sehr Niveauflexibel. Das heißt, ich kann mich ziemlich schnell auf die Leute einstellen. Das ist mir jetzt egal, ob das die Jungs an der Maschine sind oder ob es dann der Vorstand ist. Also ich kann dann innerhalb von Sekunden umswitchen und kann mit beiden sehr, sehr gut umgehen. Ja, und das Thema Deeptalk, das ist, ich bin in der Lernphase, aber kommt nicht nur der Konzern dazu, ich bin auch noch ein Mann und Männer sehen das immer ein bisschen anders.
Heike Drexel: Ja, ich hatte ja gelesen oder gehört, wie gesagt, dass ihr euch auch schon mal so richtig streitet wie ein altes Ehepaar. In welchen Punkten streitet ihr euch denn?
Gerda Söhngen: Also das mit dem alten Ehepaar, das ist ja nur, das war ja nur Zitat. Das sagen unsere eigenen Leute. Wir sagen das ja noch nicht mal. Das ist eigentlich immer das Witzige, wenn dann von denen die Aussage kommt: Na, seid ihr euch wieder am Zanken oder irgendwie sowas kommt. Ja, also wann zoffen wir uns? Wir haben natürlich, wenn wir in Klausur gehen und wirklich Grundsatzdiskussionen haben, wo wollen wir hin? Was ist uns wirklich wichtig? So viele Ähnlichkeiten, die wir haben, sind wir auch in manchen Dingen schwer verschieden, haben ganz andere Vorstellungen, sind auch ganz anders groß geworden. Und da gibt es dann eher so Grundsatzdiskussionen. Also wirklich, wo andere vielleicht jetzt sagen würden: Ach du Schande, gerade da muss man sich ja einig sein, weiß ich nicht, weil dadurch versuche ich auch immer wieder…
Heike Drexel: Zum Beispiel? Wo muss man sich einig sein? In der Strategie zum Beispiel?
Gerda Söhngen: Ja, genau. Also dieses: Wofür? Thema Purpose, was du eben hattest, wofür machen wir das denn? Und wenn, da ist es immer noch so, dass wir sagen, wenn die Marschrichtung aber immer noch die gleiche ist, aber die Motivation für jeden eine andere ist, das zu tun, dann ist das trotzdem okay. Dennoch ist es ein Potenzial, dass du dich da drüber streiten kannst, das ist klar.
Christian Schmidt: Ich glaube, wo wir uns noch sehr unterscheiden, wo wir uns regelmäßig in die Haare kriegen, ist das Thema Detailtiefe. Wie weit in die Tiefe gehen. Also für mich ist es so, wenn wir gesagt haben, das machen wir so, dann ist das okay und der Rest interessiert mich eigentlich nicht mehr. Das ist dann nur noch Ausgestaltung, böse gesagt und das sieht Gerda oft einfach mal ein bisschen anders. Und da kommt es zu der ein oder anderen Diskussion.
Heike Drexel: Meinst du, es ist so dieses fokussierte auf ein Ziel?
Christian Schmidt: Nee, die Fokussierung ist dann schon bei beiden da, aber für mich ist dann so ein bisschen so: Naja, alles, was dann danach kommt, sind Details, das machen wir schon. Und Gerda geht da deutlich mehr ins Detail dann schon.
UNTERNEHMENSBILD UND AUSSENWIRKUNG
Heike Drexel: Also, wenn ich eure Räumlichkeiten so sehe, eure Büros, habe ich ja gerade sehen können und wir sitzen ja jetzt auch hier im Büro von Christian. Ihr habt eine so tolle, also ich persönlich, das darf jetzt einfach mal sagen, ich finde es eine tolle Kultur hier mit so viel Bunt, so viel Farbe, so viel Kreativität, die ihr hier in den Büros auslebt. Also da scheint ihr euch auf jeden Fall sehr gut zu verstehen auf dieser Ebene. Das drückt es nach außen hin schon mal aus. Also das fände ich auch spannend, der Gedanke, ob diese Umgebung einen in der Kreativität unterstützt. Wir hatten gerade vorhin so ein bisschen drüber diskutiert.
Gerda Söhngen: Also ich glaube schon, dass das einen großen Einfluss hat. Also der größte Punkt war, als wir gesagt haben, wir haben ja oft, wir haben sehr viel Kundenaustausch, wir haben oft Besuch und dann haben wir gesagt, warum sollen wir denn immer wieder in Restaurants gehen, wo wir wieder sagen: Passt nicht oder Tisch noch nicht reserviert, noch nicht frei, was auch immer. Dann haben wir gesagt, wir machen das hierhin. Und dann haben wir gesagt, wir machen einen Raum, in dem wir uns wohlfühlen, den wir natürlich auch im Alltag nutzen können, aber mit dem man auch mit seinen Geschäftspartnern zusammen einen richtig langen Abend verbringen kann. Und deswegen gibt es bei uns das sogenannte Wohnzimmer und da ist dann immer ein gefüllter Kühlschrank da und da ist, ja bei uns ist da so ein großer Tisch, das ist so eine Tischtennisplatte und das ist quasi dann der Esstisch und gemütliche Sessel und so was, also wirklich eine Atmosphäre zu schaffen. Und das geht wirklich hin, dann kommt Musik dazu, dann haben wir auch Raumduft dabei et cetera, also wirklich den Rahmen so zu gestalten, dass jeder, der mit uns hier einen Abend verbringt, sich auch wirklich wohlfühlt. Die Gespräche werden persönlicher, man hat einen ganz anderen Austausch miteinander, alle fühlen sich viel wohler und das ist dann nicht nur da so, das ist auch im Täglichen so. So wie wir jetzt hier sitzen und jetzt nicht in irgendeiner Besenkammer, gibt es einem einfach ein anderes Gefühl. Es gibt ja auch, glaube ich, ein Gefühl von dem Menschen, mit dem du gerade zu tun hast. Also so, wie wenn du zu jemandem nach Hause kommst. Du siehst dir die Wohnung an und du hast eine, das kann der Mensch nicht vermeiden, ein Vorurteil, eine Entscheidung getroffen zu dieser Person. Und im besten Fall ist die positiv und gut. Und das versuchen wir natürlich mit unseren bunten Büros oder auch diesem Wohnzimmer Feeling demjenigen genauso zu vermitteln, weil es bringt nichts, wenn wir jetzt hier auf dieser Etage die ganze Zeit so ein angespanntes Klima haben. Das wollen wir eben nicht. Und dann muss ich das auch räumlich kommunizieren. Davon sind wir überzeugt, dass der Rahmen passen muss, ja.
Christian Schmidt: Es kann ja auch niemand erklären, warum ein Büro wie ein Büro aussehen muss. Und du sagst ja, es ist sehr bunt, Es hängen viele Bilder an der Wand, wir haben viele Figuren an der Wand, aber das sind ja wirklich wir. Also, wenn du zu Gerda nach Hause kommst oder zu mir nach Hause kommst, dass sieht da ja genauso aus, das ist ja nicht inszeniert. Also es ist teilweise so, die Bilder hier, ich hänge die hier ab, hänge die zu Hause hin und tausche die aus zwischendurch. Und ja, es ist eine andere Atmosphäre, auch wenn man selber arbeitet. Also ich sehe das teilweise, wenn ich nachdenke, dass ich es wirklich in so einem Bild verschwindet, als ich so darüber nachdenke in dem Moment.
Heike Drexel: Es ist der volle krasse Gegensatz natürlich zu dieser, zu dieser Tendenz, die, die momentan aber da ist, dass in vielen Unternehmen, gerade natürlich Konzernen, Großunternehmen, dieses flexible Büro, dieses flexible Arbeiten jetzt angesagt ist. Das heißt, die Leute kommen, loggen sich irgendwo ein, sind heute an dem Schreibtisch, morgen da, dann nimmst du hier noch nicht mal mehr deine persönlichen Bilder oder deine persönliche Tasse mit, weil es einfach egal ist. So, es wird so steril, dass komplett anderes Konzept, was ihr hier habt.
Gerda Söhngen: Ich glaube, du hast dann aber auch automatisch einen komplett anderen Typ Menschen in deiner Firma. Also es gibt die Firmen, wo die Menschen hingehen, die sagen wirklich, Work und Life komplett getrennt und wollen dann halt flexibel… Wollen nicht den Austausch an der Kaffeemaschine groß mit irgendwelchen anderen oder wenn, dann nur mit festgelegten Gruppen. Das ist, glaube ich schon, was ganz anderes. Ein ganz anderer Typ Mensch und das auch völlig wertfrei. Und wir haben bei uns schon die, die wirklich auch diese Nähe suchen, die diesen Austausch suchen, die dieses Team suchen, vor Ort sein wollen und dass auch wirklich ein klares Gesicht da ist und nicht immer wieder irgendwer anders. Also keine Nummer. Das ist hier das absolute Gegenteil.
Christian Schmidt: Du musst deine Leute und dich selber dafür aber auch gut kennen. Das ist genau, wie Gerda gesagt hat Es gibt nicht eine Lösung für ein Unternehmen. Ich habe mal interessanten Vortrag gehört von Raphael Gilgen, das ist ein Zukunftsforscher von Vitra und der hat das sehr schön dargestellt. Also er hat die unterschiedlichen Unternehmen gezeigt, da war, glaube ich, Facebook dabei, die dann genau dieses Konzept hatten. Aber alles total hipp und die Jungs kamen da mit Skateboard und mit Rutschen und sowas und hat gesagt: Naja, das passt zu denen, aber das passt deswegen noch lange nicht zur Deutschen Bank. Also bei der Deutschen Bank, wenn ich da jetzt eine Rutsche rein mache, dass hat keinen Effekt. Also man muss seine Leute kennen und muss wissen, was die für Bedürfnisse haben.
Heike Drexel: Ja, wobei ich das spannend finde. Also das finde ich wirklich spannend, weil ich war jetzt kürzlich mal bei einer Betriebsführung von Miltenyi und das ist ja auch ein total noch, also modernes Unternehmen, und die machen das auch überall mit diesen Arbeitsplätzen mittlerweile. Also in vielen Unternehmen ist es ja gang und gäbe und da gibt es, glaube ich, trotzdem viele Leute, die das gar nicht unbedingt wollen. Aber es wird ihnen halt auch übergestülpt, weil es vielleicht Kostengründe hat, natürlich. Das ist ja viel billiger, wenn man einfach ein paar Arbeitsplätze einrichtet und dann rotieren die Leute, weil einer ist mal im Urlaub, einer ist unterwegs und so weiter. Ich glaube, das ist schon auch das Thema Kosten, das da eine Rolle spielt.
Gerda Söhngen: Ja, das glaube ich auch. Aber ich glaube, wenn ich jetzt persönlich auf dem Arbeitsmarkt was suche, sollte mir bewusst sein, dass es verschiedene Unternehmen gibt, die so verschiedene Kulturen haben. Ich persönlich für mich würde kein Unternehmen suchen, wo ich die ganze Zeit hier freie Arbeitsplatz oder Sitzplatzwahl habe, aber keinen festen Kollegen. Ich würde mir ein Unternehmen wünschen, wo ich meinen Arbeitsplatz habe und meinen festen Kollegen gegenüber, mit dem dann meine Vertrauensbasis. Also so eine gewisse Basis da ist. Dann suche ich auch danach. Ich glaube trotzdem, dass es viele gibt, die wollen das nicht, die brauchen das nicht und die finden das andere besser. Aber du hast recht in der Form, dass es natürlich, wenn es in einem Unternehmen eingeführt wird, dann hast du aber noch beide Charakteren da und ein Charakter von beiden wird sich da nicht wohlfühlen in diesem Umfeld. Das ist so, aber das ist vielleicht auch… Wir haben hier vielleicht auch ein, zwei Leute, die sich denken: Och, ich fände das total cool, wenn ich hier frei wählen könnte und die ganze Zeit weg wäre oder so was. Aber dann ist das wirklich, dann ist die Frage: Wie kriege ich dann meine Kultur hier gelebt? Weil diese Kultur, wie wir sie hier leben, ist halt sehr familiär und dafür kann ich nicht einfach sagen jeder kommt und geht, wie er möchte und hat keinen festen Arbeitsplatz, genau.
Christian Schmidt: Ich glaube auch, dass die die Präsenz im Büro für die Kultur extrem wichtig ist. Also, wenn wir alle remote arbeiten, verlieren wir natürlich den persönlichen Bezug. Ich habe letzte Woche mit einen Freund gesprochen, der hat eine große Agentur und musste jetzt zwölf Leute entlassen. Und da hat ein anderer Freund gefragt: Wie fühlst du dich dabei? Und da hat er gesagt: Wenn ich ganz ehrlich bin, ist mir eigentlich ziemlich egal, weil ich kenne die ja noch nicht mal. Er sagte: So schlimm das jetzt klingt… Aber er sagte: Alle, die bei uns im Büro sind, da habe ich eine Beziehung zu. Das sind ja für mich wirklich Leute, mit denen ich jeden Tag arbeite. Aber die, die rein remote arbeiten, die ich vielleicht einmal in meinem Leben gesehen habe, da habe ich natürlich gar keine Beziehung zu. Und deswegen sagt er auch, er möchte viel mehr zu dem Konzept zurück, die Leute sollen im Büro sein, weil die nämlich auch eine echte Unternehmenskultur pflegen. Und er sagte: Das kannst du nicht, wenn die Leute gar nicht da sind.
Gerda Söhngen: Und ich finde, die Mitarbeiter, finde ich es schön, wenn sie sich gegenseitig pflegen. Also, wenn es jetzt mal einem wirklich schlecht geht und du kriegst mit, was weiß ich. Wir hatten jetzt im positiven Sinne, eine Kollegin hatte hier Geburtstag und ich hatte das noch gar nicht auf dem Schirm. Hatte halt nur die Erinnerung für den Tag und der Geburtstag war erst am Folgetag und dann kam aber die zwei Kollegin schon vorbei mit Ballons und Konfetti und was weiß ich, um das Büro fertig zu schmücken. Und so was finde ich total schön. Oder wenn du genauso im Negativen merkst, das ist gerade zwei miteinander, die da mit ein paar Tränen irgendwie zurückkommen, da war scheinbar irgendwas zu klären. Und die sehen sich und die nehmen das auf und die kümmern sich umeinander. Und das haben wir hier sehr viel, also dass das die Kollegen aufeinander achtgeben und sich wirklich miteinander austauschen und das hast du nicht, wenn die Leute nie da sind.
Heike Drexel: Ist es das Persönliche, was dich dann eigentlich auch gereizt hat, Christian? Eben jetzt so diese Konzernkarriere zu verlassen und dann eben hier einzusteigen.
Christian Schmidt: Im Nachhinein ja, zu dem Zeitpunkt nicht. Also zu dem Zeitpunkt war es einfach so, also, wenn du ein klassischer Macher bist, wenn du Dinge bewegen willst, dafür sind Konzerne nicht gemacht. Also Konzernstrukturen sind ganz viel politisch basiert. Du musst dich mit unfassbar vielen Leuten abstimmen. Du darfst nicht dem Falschen auf den Schlips treten und so und du kommst eigentlich nie voran. Und das ist natürlich im Mittelstand ganz anders. Du kannst Dinge einfach anstoßen, du kannst Dinge umsetzen und bist viel, viel schneller. Diese menschliche Ebene, es ist ja nicht so, dass im Konzern überall nur Monster arbeiten. Also da gibt es natürlich auch eine menschliche Ebene, weil du arbeitest ja auch nicht, wenn du im Konzern bist von 100.000 Leuten, mit 100.000 Leuten. Du bist ja auch in deiner Gruppe, in deinem Büro, auch da gibt es einen Austausch. Aber ja, das ist in so einem Familienunternehmen noch mal ganz anders, auf einer ganz anderen Ebene.
Heike Drexel: Wir hatten vorhin mal ganz kurz das Thema angerissen, auch so von der Branche her, weil es ja eben, du sagtest ja selber, es ist ja auch eine sehr traditionelle Branche, so eine Männerbranche. Und wenn ich jetzt, wie gesagt, gerade dich hier so sehe, so in deinem, diesen ganzen Bunt und Super Candy, hast du da schon mal so Reaktionen gehabt, die irgendwie auch mal ein bisschen irritierend waren? Also, dass Leute irritiert waren, auf dich irritiert reagiert haben?
Gerda Söhngen: Ja, ständig. Also das ist normal, dass viele Leute dich nicht zugeordnet kriegen, dass mir einfach eine komplett andere Funktion mir zugeordnet wird. Also ich hatte dann irgendwann mir Praktikanten Visitenkarten gedruckt, weil ich einfach gemerkt habe, das ist einfach, du wirst da nicht gesehen. Und das hat mich damals aber total gestört, als ich das erste Mal in der Firma war. Und heute stört mich das gar nicht. Das hört sich jetzt total blöd an, ich such das sogar. Ich suche das um jeden einzelnen, der dieses Schubladendenken noch hat, mit mir ein bisschen vor den Kopf zu stoßen, dass er vielleicht das in Zukunft nicht mehr macht. Gar nicht weil es schlimm ist…
ROLLENBILDER UND GLEICHBERECHTIGUNG
Heike Drexel: Ja, das ist bei euch beiden ja wirklich prädestiniert. A: Mann, Frau, wenn ihr irgendwo auftretet, dann habt ihr noch einen Altersunterschied. Dann ist natürlich, denke ich auch, so aus der Tradition heraus bestimmt oft der Gedanke da: Ja, die Gerda, das ist schon so die Assistentin.
Gerda Söhngen: Genau, ganz genau. Ja, und das ist, glaube ich, ganz wichtig, dass man für sich damit umgehen kann. Es ist ja auch, sage ich auch mal gerne, viele Männer sagen immer: Ja, die Frauen, die haben es ja total leicht, weil ihr könnt ja dann überraschend, ihr könnt ja dann beeindrucken und was weiß ich, weil die Erwartungshaltung ja eine andere ist. Ja, das stimmt. Das ist auch, dieser Moment macht natürlich sehr viel Spaß und das will ich gar nicht weg reden, dass das nicht so ist, aber was halt oft nicht gesehen wird, ist die vielen Wochen, Monate oder auch meistens leider Jahre, die das dieser Person nicht zugetraut wurde. Also das muss man halt auch aushalten können. Eine sehr lange Zeit, wo du weißt, diese Person hält einfach nichts von mir, die kann mich nicht leiden oder die traut mir das nicht zu. Der denkt ich bin total blöd. Und das ist glaube ich ein großer Unterschied, was auch in der Frauenwelt noch sehr extrem ist. Ich glaube, Männer haben diese Erfahrung seltener, deswegen haben sie das, das glaube ich, gar nicht auf dem Schirm oder können das nicht so beurteilen. Wenn die das Gefühl haben, sie werden unterschätzt, dann zeigen die ganz schnell, nein, nein, nein. Dann wird schnell hochgestapelt, damit wieder klar ist: Ich bin da oben. Vielleicht manchmal was zu hoch, weswegen ist natürlich auch schwieriger ist dann später zu sagen: Guck mal hier, ich erfülle das wirklich, was du von mir denkst. Und bei Frauen, wenn man halt weniger erwartet, dann ist es natürlich leichter, das zu übertreffen. Aber diesen Prozess, das auszuhalten, das musste ich für mich lernen und das würde ich jetzt noch nachschieben, ist auch eine meiner größten Stärken geworden, dass ich damit positiv umgehe, da eine Chance darin sehe, dass anderen, lieb gemeint, sie damit vorzuführen, tatsächlich. Das hört sich total fies an, aber es ist wirklich lieb gemeint. Im Sinne für andere, dass sie da vielleicht nicht diese Erfahrung machen müssen.
Heike Drexel: Ja und wie ist das für dich, Christian, wenn du das merkst, dass genau diese Rollenbilder praktisch auf euch so übertragen werden, weil du kriegst das ja auch mit.
Christian Schmidt: Ja, also wir haben da auch einen Lernprozess durchgemacht gemeinsam. Es hat Vor- und Nachteile, aber ich glaube, wir haben sehr gut gelernt oder vor allem Gerda hat gelernt, damit umzugehen. Also, wenn man ein bisschen ergebnisorientiert denkt und im richtigen Moment sich zurücknimmt oder den anderen nach vorne schickt, kann man da echt extrem gute Ergebnisse erzielen. Das ist auf der anderen Seite natürlich auch so. Wenn man in einer klassischen konservativen, männerdominierten Branche ist, kann man als junge Frau natürlich auch die Türen öffnen. Das ist auch in dem Moment einfacher. Dann gibt es aber andere Bereiche, zum Beispiel gerade, wenn wir uns jetzt so im Mittleren Osten oder so bewegen, da hat die Frau eine ganz andere Stellung. Da ist es wieder sehr schwierig Gehör zu finden. Und da muss sich Gerda sich ab und zu mal auf die Lippe beißen, aber es hat sich mittlerweile, glaube ich, ziemlich gut eingependelt. Und genau wie sie gesagt hat, man hat da Vor- und Nachteile und man muss da auch hier und da mal ein bisschen durchatmen und dann klappt das.
Gerda Söhngen: Aber du hörst es schon, Mann hat da Vor- und Nachteile, die Frau hat Vor- und Nachteile, der Mann hat mehr Vorteile. Deswegen ist es immer so schlimm, wenn der Christian das immer beurteilt, wo ich mir denke: Ja, welche Nachteile hattest du noch mal? Also das fällt den Männern dann immer leicht, das immer so zu beurteilen.
Heike Drexel: Deswegen habe ich ihn auch gefragt Perspektivwechsel. Kannst du das überhaupt nachvollziehen, wie das ist, wenn man das so als Frau immer erlebt?
Gerda Söhngen: Ja, genau. Ich glaube, das ist ein bisschen viel verlangt, das zu erwarten, das nachzuvollziehen, wenn man selber noch nicht in so einer Situation war. Und ich glaube, dass es auch für Männer grundsätzlich schwierig ist, weil leider ist es ja so, dass nur viele Männer in der Funktion groß werden, dass sie, ja heute noch der Starke, Thema Christian, was er eben sagte, mit über Gefühle sprechen. Männer machen das sowieso nicht so wirklich und es ist auch faktisch so, dass eine Runde aus Männern total an anstrengend wird, wenn ich dazu komme. Also das hatten wir auch schon oft. Wenn ich mit einem Einzelnen aus dieser Runde gesprochen habe, war das super harmonisch. In dem Moment, wo ein zweiter dazukam, wurde das total anstrengend, weil sie irgendwie immer so ein bisschen so dieses Neandertal mäßige, jeder haut da noch einen drauf und die challengen sich untereinander. Einfach nur aus Spaß, das ist dann so ein Sport. Christian hat mir das schon oft erklärt. Das ist dann einfach lustig für die Männer, die haben da Spaß dran.
Heike Drexel: Mein Haus, mein Boot.
Gerda Söhngen: Ja, ja, genau so und ich finde das dann einfach nur mega anstrengend, weil ich so was halt nicht kenne. Aber ich glaube einfach, das sind zwei völlig verschiedene Welten, gerade natürlich noch in der Generation. Man muss ja auch sagen, wir vergleichen jetzt nicht Mann und Frau in einer Generation, eigentlich haben wir die ganze Zeit die Bilder im Kopf von der älteren Generation, Mann mit der jüngeren Generation Frau, das ist ja noch mal ein ganz anderer großer Unterschied, den wir hier haben. In dem Moment, wo es auch in meine Generation der Männer geht, da ist das ein ganz anderer Austausch. Da lerne ich das so auch nicht kennen. Also es geht wirklich eher in die ältere Generation der Herren, da nehme ich so was viel öfter wahr.
Heike Drexel: Also ich habe schon das Gefühl, dass Frauen als Führungskräfte in der jüngeren Generation und auch gerade eben in den kleinen und mittelständischen Unternehmen viel mehr Chancen haben als nach wie vor eben in den größeren. Da heißt es dann immer: Ja, wir würden ja gerne eine Frau besetzen in irgendeinem Vorstandsposten oder Geschäftsführungsposten, aber wir finden ja keine.
Gerda Söhngen: Ja, ich weiß jetzt nicht, ob ich das so gut beurteilen kann. Ich pendele da. Ich will da auch gar keine klare Meinung… Ich pendele da einfach in meiner Meinung. Ich denke schon, es gibt viele Situationen, wo manche sich noch so ein bisschen dahinter verstecken und deswegen vielleicht einfach nicht diese Veränderung zulassen. Ich finde, es gibt aber auch viele Frauen, die so sich ein bisschen damit so brüsten, so, die müssten das eigentlich, aber die machen das nicht. Siehst du? Eigentlich, die wollen den Frauen gar keine Chance geben. Wo ich mir denke: Na ja, was heißt denn Chance geben? Du musst halt auch mal aktiv ergreifen und auch einfach mal machen, ne? Also du kannst dich jetzt nicht in die Bushaltestelle setzen und warten, dass du abgeholt wirst. Also das passiert halt auch nicht. Ich denke immer, es ist so zwiegespalten. Es gibt viele Beispiele, deswegen bräuchte ich, wenn dann konkrete, wo ich denke, das finde ich nicht okay, weil man sich da einfach nur hinter versteckt, dass es ja jetzt Quoten gibt und dass die Frauen ihr könnten, aber sie wollen ja nicht. Und es gibt Beispiele, wo ich mir denke, die wären dazu bereit oder die machen das sogar aktiv, aber da sind dann vielleicht andere, die Chance nicht ergreifen und wirklich mal die Sache angehen.
Christian Schmidt: Wir sind zwar noch lange nicht da, wo wir sein sollten, was das Thema Gleichberechtigung angeht, in der Berufswelt, aber wir machen so große Schritte momentan. Also das Thema ist einfach total präsent, es wird allgegenwärtig diskutiert, überall. Jetzt habe ich letzte Woche gelesen, dass zum Ersten Mal mehr Frauen in deutsche DAX Vorstände nominiert worden sind als Männer. Also wow, das ist ja auch mal ein Zeichen.
Heike Drexel: Hast du das über die AllBright Stiftung da gelesen?
Christian Schmidt: Ich glaube, ich habe auf einem Post vom STRIVE Magazin, glaube ich, da habe ich es gelesen. Das fand ich ganz beeindruckend und das zeigt mir auch noch mal ganz klar: Hey Leute, ist marschiert in die richtige Richtung. Und man muss aber auch mal ein bisschen gegenseitiges Verständnis haben. Das ist so ein bisschen das, was man immer so ein bisschen außer Acht lässt. Also wir haben das jetzt 30, 40 Jahre, wurde uns das so eingetrichtert und jetzt sagen wir so, jetzt ist Montag, jetzt denken wir alle anders. Nee, so leicht ist das nicht. Wir müssen uns erst mal ein bisschen annähern. Und ich glaube, die alten weißen Männer sind nicht alle böse. Und die jungen Frauen, wollen vielleicht auch gar nicht oder wollen doch… Wir müssen uns langsam mal rantasten an das ganze Thema und ich glaube, das läuft mittlerweile schon ziemlich gut. Was nicht heißt, dass wir jetzt damit aufhören. Nein, nein.
Heike Drexel: Ja, und ihr seid wirklich ein gutes Beispiel. Also ich hoffe, dass der ein oder andere, der sich für das Thema interessiert, in seinem Unternehmen da euch vielleicht auch mal kontaktiert. Du hast es gerade angeboten, Christian. Finde ich super. Finde ich sehr spannend.
Gerda Söhngen: Ja, auf jeden Fall. Also wir haben auch gemerkt, was das Thema für ein Interesse weckt, grundsätzlich. Deswegen haben wir auch dann irgendwann angefangen, dass noch mehr über die sozialen Medien zu kommunizieren. Also nicht mehr nur den Fokus auf unser Unternehmen, sondern unser Unternehmen und uns als Beispiel oder auch Lernfaktor, also genauso im Negativen wie im Positiven darüber zu sprechen, was wir wie machen oder was wir wie verstanden haben, aufgrund von irgendwelchen Fehlern, die wir gemacht haben. Und das ist schon Wahnsinn, wie viele Leute darauf reagieren. Das ist schon echt cool und das macht dann richtig Spaß.
DIE NÄCHSTE GENERATION
Heike Drexel: Was wollt ihr denn oder anders gefragt, so zum Schluss hin. Du hast jetzt eine Tochter, hast du gesagt. Ich weiß gar nicht, Christian, hast du Kinder?
Christian Schmidt: Ich habe zwei Kinder. Ich habe eine 8-jährige Tochter und einen 12-jährigen Sohn.
Heike Drexel: Okay, was wollt ihr euren Kindern mal mitgeben? Also so nach dem Motto: Fördert ihr auch das unternehmerische Denken zu Hause oder redet ihr dann eher gar nicht so drüber? Ich bin da mal so gespannt, was wie das so bei euch zu Hause mit euren Kindern läuft.
Gerda Söhngen: Also ich glaube, das ist gar nicht vermeidbar. Mir ist aufgefallen, wie viel unterschwellig auch an mich weitergegeben wurde und jetzt auch unsere Tochter, die Rita jetzt schon mitkriegt. Ich glaube, ein ganz großer Punkt ist so Thema Entscheidungen treffen, Lösungsansätze, Lösungen suchen, Lösungen wollen, das lernt sie direkt zu kennen. Also mein Mann ist da genauso, der ist bei der Berufsfeuerwehr, wo auch nicht lange überlegt wird oder dann doch nicht. Also wir sind beide sehr lösungsorientiert und treffen schnell Entscheidungen. Das heißt, wir merken, dass unsere Tochter auch sehr entscheidungsfreudig ist und dann Hauptsache erst mal weiter und dann ist die Entscheidung getroffen und dann gucken wir mal. Also ich glaube, sowas ist sehr stark das Thema sich selbst zu vertrauen, das versuchen wir immer stark zu vermitteln. Ja, dass man an sich selber glaubt und so weiter, dass man nicht so viele Selbstzweifel hat. Das ist uns total wichtig. Aber ich denke so unternehmerisch, du sagst ja nicht, ich bringe das dem Kind bei, sondern du lebst es ja vor, weil du es den ganzen Tag tust. Und ich habe letztens noch für mich mal wieder erkannt, ich fühle mich eigentlich immer verantwortlich. Also selbst wenn jetzt mein Mann schlecht gelaunt ist, fühle ich mich verantwortlich dafür, das wieder zu klären, auch wenn ich gar nichts dafür kann. Und das war noch so lustig, weil nämlich dann uns das so bewusst geworden ist und dann kam irgendwie die Idee: Ja, aber jetzt ist der dann schlecht gelaunt und was machst du denn dann damit? Ich sage: Ja, dann finde ich das doof. Und dann möchte ich irgendwie schauen, dass ich das wieder behoben kriege oder da unterstützen kann oder so was. Aber vielleicht darf der auch einfach mal schlecht gelaunt sein und du hältst das aus. Ich denke so: Ja, super, das ist ja toll. Ja, wie ist das denn, wie macht er das denn bei der Rita dann? Und ich so: Ja, wenn die dann was mal nicht kriegt, dann ist sie beleidigt. Ja, und dann? Ich sage: Ja, dann müssen wir es auch aushalten. Sagt sie: Ja, richtig. Und das, glaube ich, sind so viele Eigenschaften. Die Rita lernt mich kennen als Mensch, der immer meint, ich komme jetzt mit einer Lösung und nimmt die auch gerne immer an. Und ich glaube, das wird sich automatisch ein bisschen abfärben, dass sie auch dadurch ein lösungsorientierter Mensch wird, der nicht lange oder auch nicht Trübsal bläst. Also dann ist was doof gelaufen und dann Mist. Ja gut, dann müssen wir das jetzt ändern und dann wird nicht lange in der Vergangenheit aufgehalten. Und wenn du das gar nicht so kennenlernst, dann glaube ich, dann kannst du das auch gar nicht in der Form werden, ja.
Heike Drexel: Das waren also schon die Kennzeichen für erfolgreiche Unternehmer.
Christian Schmidt: Ich finde es aber trotzdem großartig, wenn man dieses unternehmerische Denken bei Kindern sehr früh platziert und sie da auch fördert. Wir hatten dieses Beispiel, wir wohnen direkt am Zoo, es war strahlender Sonnenschein und die Kinder haben sich überlegt, sie bessern ihr Taschengeld auf. Sie verkaufen jetzt Limonade vor dem Zoo. Entsprechend hat dann der Papa die Einkaufsliste gekriegt, was er alles kaufen sollte. Das habe ich natürlich brav getan. Dann haben sie die Limonade selber gemacht und haben sich vor den Zoo gesetzt. So, und dann hat mein Sohn sich das angeguckt und sagte dann zu den kleinen Mädels: Mädels, so gibt das nichts. Wir brauchen Vertrieb und Marketing. Da musste ich schon das erste Mal grinsen. Dann ist er losmarschiert, hat ein großes Schild gemalt, was sie denn überhaupt anbieten. Da stand dieses Schild da und dann sagt er: So, und jetzt müssen wir den aktiven Vertrieb gehen. Dann hat er Becher genommen, hat die auf ein Tablett gestellt, hat ein bisschen was eingegossen und hat die Leute aktiv angequatscht. So, und dann haben die an dem Tag 165 Euro Umsatz gemacht. Da war ich ja schon mal total baff. Die waren mit drei Kindern, also hat jeder richtig Geld verdient. Die wollten das dann durch drei teilen, dann habe ich gesagt: Nee, nee, Moment, stopp, stopp! Ihr müsst eure Zulieferer noch bezahlen. Wie, was müssen wir? Und dann haben in der Küche gesessen und haben dann ausgerechnet, was ich denn bezahlt habe.
Heike Drexel: Papa will auch Geld.
Christian Schmidt: Ich wollte zumindest meine Ausgaben zurückhaben. Ich war ja okay, dass ich als Bank fungiert hatte. Ich wollte ja keinen Ertrag daraus haben. Das haben wir mal weggelassen, den Teil und dann hatten sie das Geld übrig, und dann wollten sie das aufteilen. Und dann sagte die 8-jährige, das fand ich sehr clever: Nein, warte mal, wenn wir das morgen wieder machen, dann müssen wir wieder Ware kaufen. Dann lass uns das erst rausnehmen und dann teilen wir auf. Und dann dachte ich mir so: Genau, ihr habt es verstanden. So funktioniert Geschäft. Gut, da kommt am Ende noch ein bisschen mehr dazu, aber ich finde das schon klasse, weil sowas lernt man in der Schule nicht. Und das ist einfach nur diese Denkweise, dass man einfach anfängt, so ein bisschen in Geschäftsmodellen zu denken, dass man unternehmerisch denkt, das finde ich schon cool. Und mich hat das sehr gefreut. Ich fand das sehr unterhaltsam.
Heike Drexel: Cool, absolut cool finde ich eine ganz, ganz, ganz tolle Sache.
Christian Schmidt: Du kannst Anteile kaufen an der Limo Company.
SCHLUSSFRAGE
Heike Drexel: Ja, super. Das finde ich echt ganz klasse. Zum Schluss immer so die beliebte Frage: Was sind so die Themen, die euch als Unternehmer so am meisten beschäftigen beziehungsweise wo wünscht ihr euch, dass euer Unternehmen in fünf Jahren steht?
Gerda Söhngen: Puh, also genau es ist gerade, finde ich, eine wahnsinnig schwierige Frage, weil man merkt, dass alle so ein bisschen unruhig sind, weil sich immer wieder so viel verändert hat in den letzten Jahren. Alle sind total schissig geworden irgendwie. Also keiner will gerade was verändern, weil wir wissen ja noch nicht, wie es sich entwickelt und wir warten mal ab. Und das ist natürlich für zwei so geduldige Geschäftsführer, wie wir es sind, wunderbar. Das heißt, wir würden uns wünschen, dass wir in zwei Jahren vor allem mit unserem neuen Produkt, wir haben da jetzt noch ein zweites Produkt eingeführt, dass wir da ordentlich auf der Bahn sind, dass wir da vielleicht noch mal neue Märkte erreichen können und unsere Kultur behalten oder sogar noch mehr festigen können. Dass hier wirklich weiterhin ein schönes Klima ist, dass hier auch immer mehr für unsere Leute ein Wohlfühlgefühl ist, das ist eine schöne Verpflichtung, ist, diese Arbeit hier zu tun. Und das wäre so, glaube ich, mein Wünschen dahinter. Ja, genau.
Christian Schmidt: Genau. Also das Ziel ist nicht, zwanghaftes Wachstum und möglichst schnell in die Größe zu gehen. Das ist gar nicht das Ziel dahinter. Aber es ist wirklich so, vor zwei, drei Jahren hätten wir die Frage einfacher beantworten können. Uns geht es gut. Also unsere Zahlen sind toll und wir sind auch wirklich perfekt aufgestellt für die nächsten Jahre. Aber nichtsdestotrotz, es ist unfassbar schwer zu planen im Moment, weil es ändert sich ja nahezu täglich. Es passieren so viele Dinge in der Welt, die wir in keinster Weise beeinflussen können und gar nicht wissen, was hat das für einen Einfluss auf die nächsten Jahre.
Gerda Söhngen: Man merkt so ein bisschen, dass alle, auch vor allem Unternehmer, ich habe ja einen großen Austausch mit verschiedenen Unternehmern, es ist so viel im Umschwung und es sind alle so ein bisschen müde. Es ist so gefühlt, du hattest damals, du hattest auch Krisen et cetera, aber du hattest immer ein Wochenende dazwischen jetzt mal gesagt. Also dann ist ein fünf Tage irgendwas Krasses und dann hat es aber wieder zwei Tage Ruhe im Sinne von, dann hattest du mal zehn Jahre mal nichts und dann hattest du wieder fünf Jahre Krise und dann wieder Ruhe. Und gerade fehlen, glaube ich, den Unternehmern die Wochenenden. Es ist einfach, du kommst direkt in den nächsten Montag wieder rein, wo wieder ein neues Thema auf dem Tisch ist, wo sich wieder irgendwas anderes grundsätzlich verändert. Und das glaube ich, das ist so, das kann man sich einfach vorstellen wie im Alltag, wenn du wirklich mal deine Wochenenden alle zu geplant hast und hast das mal einen Monat am Stück, dann sehnst du dich so sehr nach einem Tag einfach mal faul gar nichts tun und willst einfach mal Kopf aus. Und ich glaube, das ist so meine Verbildlichung von dem, was ich so merke, von den anderen. Das alle einfach nur, die sehnen sich nach dem Wochenende, nach so einer Phase, wie es früher auch mal war, wo man mal Normalität hatte, wo keine Marktveränderungen waren, keine Pandemien oder, oder. Oder auf einmal gehen die Preise in den Keller, was auch immer.
Heike Drexel: Energiepreise hoch.
Gerda Söhngen: Energiepreise hoch. Jetzt verändert sich da was. Also es ist gerade so viel, was sich verändert und ich glaube, das macht einfach so in der Form Stress und da will einfach der eine oder andere Mal eine Pause haben und durchatmen. Und die wird sich jetzt genommen, indem man sagt: Wir warten einfach erst mal ab. So, es wird schon, irgendwann kommt das Wochenende, aber das wird vielleicht gar nicht kommen. Das heißt, man muss schauen, dass man anderen Ausgleich findet, um diese Energie zu halten auf diesem Level.
Christian Schmidt: Wir fahren deutlich mehr auf Sicht als langfristig. Also wir müssen deutlich schneller reagieren als früher.
Heike Drexel: Dann wünsche ich euch, dass ihr diese Energie und Power weiterhin so habt, wie ihr sie jetzt habt und ausstrahlt. Und ich danke euch ganz, ganz, ganz sehr für dieses wunderbare Gespräch. Für eure ja Offenheit und Einsicht in euer Unternehmen und die Führung. Das war echt mega spannend. Vielen, vielen Dank.
Gerda Söhngen: Sehr gerne. Danke dir.
Christian Schmidt: Dankeschön.
Heike Drexel: Und tschüss.